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Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Titel: Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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beiden aus und konzentrierte sich auf das Dröhnen in ihrem Kopf. Das pulsierende Summen schien aus ihrem ganzen Körper zu kommen und erinnerte sie an das Geräusch, das entstand, wenn ein Musikant mit dem Bogen langsam über die Saiten eines Kontrabasses strich. Der tiefe Ton in ihrem Innern klang wie ein Klagelied.
    Eine Stunde später füllten sich die Tische, genau wie Himney vorhergesagt hatte. In der Schenke blieb es still, nur wenige leise Worte wurden gewechselt, während die Leute einen Becher Bitter bestellten, ihn rasch leerten und zur Tür hinausgingen. Als die Tische wieder leer wurden, erhob sich Jastail und rüttelte Wendra aus ihrer Trance. Sie fuhr zusammen, stand jedoch rasch auf in der Erwartung, endlich Penit zu finden. Jastail legte eine Münze auf den Tisch und warf Himney einen warnenden Blick zu. Dann verließ er das Wirtshaus, ohne sich zu vergewissern, dass Wendra ihm folgte.
    Sie traten hinaus auf die Straße. Männer und Frauen eilten an ihnen vorbei zu einem offenen Platz, wo sich der ganze Ort zu versammeln schien. Wendra spürte die Aufregung, die in der Luft lag. Niemand sprach, doch die Atmosphäre summte in ihren Nerven, als teilte das ganze Dorf ein großes Geheimnis. Die Leute drängelten nicht durcheinander, sondern suchten sich einen Platz und warteten ab. Wendra bemerkte, dass viele von ihnen bunt bemalte Stäbchen mit Nummern darauf in der Hand hielten. Ein scheußliches Gefühl machte sich in ihr breit, so finster wie die schlimmste Prophezeiung, von der Ogea je auf Hambleys Dach erzählt hatte.
    Jastail führte sie in die Nähe eines hölzernen Podiums. »Die Planken«, sagte er und deutete auf das einzige gut und sorgfältig gezimmerte Ding in diesem wackeligen Ort. Lange Eichenplanken, sauber aneinandergefügt, bildeten eine Art Bühne fast zwei Schritt hoch über dem Boden. Zu beiden Seiten führten Treppen hinauf, gut zehn Meter lang. Am linken Rand der Plattform standen ein Stuhl und ein Tisch, auf dem Feder, Tintenfass und ein Buch lagen, das mit einem Schloss versehen war.
    Nach wenigen Augenblicken teilte sich die Menge, und mehrere Menschen gingen in einer Reihe auf die Plattform zu, angeführt von einem großen Mann mit massigen Schultern und Armen. Wendra konnte sie nicht richtig sehen, doch die kleine Prozession hielt am Fuß der Treppe inne. Der große Mann bückte sich nach irgendetwas und führte dann eine gefesselte Frau hinauf und an den Tisch. Ein zweiter Mann rannte die rechte Treppe hoch, wobei er einen Schlüssel umklammerte, den er an einer Kette um den Hals trug, und nahm an dem Tisch Platz. Rasch steckte er den Schlüssel in das Schloss an dem Buch und schlug es auf. Er tunkte die Schreibfeder in das Tintenfass und neigte dann den Kopf zur Seite, während der andere ihm etwas zuraunte. Dann schob der große Mann die gefesselte Frau in die Mitte der Plattform und drehte sie zu den Zuschauern herum.
    Jetzt wurde Wendra klar, was »Staub steigt auf« zu bedeuten hatte. Die Füße der Frau waren mit Kalk gepudert, und bei jedem Schritt stieg ein zartes, bläulich weißes Wölkchen davon auf.
    Der große Mann hob die Hand und gestikulierte mit den Fingern, woraufhin einige Leute in der Menge ihre bunten Stäbchen mit den Zahlen darauf in die Höhe hielten. Niemand sprach, und Wendra hörte die milde Brise, die hin und wieder durch Risse in den baufälligen Häusern pfiff. Die Frau starrte auf ihre Füße hinab. Das wirre Haar hing ihr matt und dünn vom Kopf und verbarg ihr Gesicht. Sie trug ein formloses, knielanges Hemd, an der Taille mit einem Stück Seil gegürtet. Der Mann zeigte auf eines der vielen Stäbchen, hob erneut die Hand und vollführte ein paar komplizierte Gesten. Wieder wurden die Stäbchen in die Höhe gereckt, aber nicht so viele wie beim ersten Mal. Dieses Muster wiederholte sich. Mit jedem Mal hoben sich weniger Stäbchen in die Luft, bis nur noch eines über die Köpfe der Menge hinausragte. Der massige Mann zog die Frau zur Treppe an der rechten Seite, wo sie der Frau übergeben wurde, die sie gekauft hatte.
    Der geschäftige kleine Mann an dem Tisch schrieb mit fieberhafter Hast in sein Buch und tauchte noch mehrmals die Feder in die Tinte, um das getätigte Geschäft zu verzeichnen. Der große Mann stieg die andere Treppe hinunter, bückte sich erneut und führte ein junges Mädchen auf die Planken. Die Feder des kleinen Mannes machte einen Eintrag, und weiß gepuderte Füße schlurften über die Bretter in die Mitte. Angstvolle

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