Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)
warten, bis sie diesen Ort weit hinter sich gelassen hatten. Sie zog das Messer aus ihrem Stiefel und legte es neben ein paar Brotkrümel auf den Tisch.
»Schön«, sagte Jastail. »Schnell jetzt, und sagt kein Wort.«
Penit stand widerstrebend auf, und Wendra folgte ihm.
Sie bestiegen ihre Pferde, und Jastail ritt voran. Er schlug den Weg nach Osten ein, aber eine leere Seitenstraße entlang, ohne auf den Hauptweg abzubiegen. Die Sonne stand schon tief im Westen und ließ ihre langen Schatten rhythmisch vor ihnen hertanzen. Penit bemühte sich, stets an Wendras Seite zu bleiben, selbst auf den schmalsten Wegen. Sein Gesicht glühte abwechselnd vor Hass, wenn er zu Jastail blickte, und vor Erleichterung, wenn er Wendra ansah.
Ob wir es schaffen könnten, wenn wir jetzt einen Fluchtversuch wagen?
Sie verwarf den Gedanken. Es würde ihnen vielleicht gelingen, Jastail zu entkommen, aber erst, wenn sie wieder über Land ritten. Und selbst dann musste das sorgfältig geplant sein. Wenn Jastail den Jungen zu fassen bekam, würde Wendra ihn nicht noch einmal im Stich lassen.
Sie ritten an ein paar Zelten vorbei über eine Wiese, auf der hier und da geschwärzte Feuerstellen zu erkennen waren. Flache Gräben dienten dazu, das Regenwasser abzuleiten, wenn es von den geölten Zeltplanen rann. Der köstliche Duft von gegrillten Birk- und Präriehühnern hing in der Abendluft. Wendra knurrte der Magen.
»Was soll das denn werden?«
Eine Gruppe Männer stellte sich ihnen in den Weg, und Jastail bedeutete Wendra und Penit anzuhalten.
»Anderswo warten Geschäfte auf mich«, antwortete Jastail und schaute an den Männern vorbei über das offene Land zum Horizont.
»So dringend, dass du noch vor dem Abendessen abreist«, entgegnete der Mann. »Und deinen ganzen Bestand mitnimmst.« Die anderen lachten, und ihre Blicke huschten zwischen Wendra und Penit hin und her. »Wie tief doch der große Händler Jastail gesunken ist, dass er seine eigene Ware kauft. Wohl schon beschädigt, was?« Der Mann neigte den Kopf, um Jastail mit einem schiefen Blick zu tadeln.
»Geschäfte anderswo«, wiederholte Jastail.
»Ach ja?«, sagte der Anführer der Gruppe. »Mag sein. Aber es gefällt mir nicht, was das für uns bedeutet, die du hier zurücklässt.« Der Mann hob die Hand und kaute auf einem Fingernagel herum, ehe er fortfuhr. »Du weißt irgendetwas. Warum sonst solltest du auf den Preis verzichten, den ein Junge auf den Bohlen erzielt? Das sieht dir gar nicht ähnlich.« Er kniff die Augen zusammen. »Und es ist nicht anständig gegenüber Leuten, die bereit waren, gutes Geld für den Burschen zu bezahlen. Und was ist mit der da?« Er ging an Jastail vorbei und legte eine Hand auf Wendras Oberschenkel. Sie trat ihm gegen die Brust und hätte auch sein Gesicht getroffen, wenn der Steigbügel sie nicht behindert hätte. Der Mann taumelte ein paar Schritte rückwärts.
Sobald er sich wieder gefangen hatte, stürmte er mit einem stark gekrümmten Dolch auf sie los. Orangerot blitzte die Klinge im Abendlicht auf, und Wendra versuchte zurückzuweichen. Jastail sprang blitzschnell von seinem Pferd und zwischen sie und den Angreifer. Er duckte sich unter dem Arm des Mannes hindurch, streckte ein Bein aus und riss seinen Gegner von den Füßen. Der Mann stürzte vornüber und schlug mit dem Kinn auf den festgetrampelten, harten Boden. Das dumpfe Krachen hallte so deutlich durch die milde Abendluft, als hätte jemand an einem stillen Gewässer zwei Steine gegeneinandergeschlagen.
Wendra hatte schon erlebt, wie Männer feige zurückwichen, wenn ihr Anführer gefallen war. Diese Männer jedoch stürmten auf Jastail los. Zwei kleinere Kerle gingen links und rechts von ihm in Stellung, während der Größte aus der Gruppe schnurstracks auf Jastail zuhielt. Ein dümmliches Grinsen entblößte ganze fünf Zähne in seinem Mund. Zwei weitere Männer zückten kurze Dolche und umkreisten die Kämpfenden wie Tänzer, die begierig auf ihren Tanz mit einer schönen Kurtisane lauerten.
Jastail griff den größten Mann an, täuschte einen mächtigen Tritt in dessen Gesicht an und rammte ihm stattdessen das Knie in den Schritt. Der Kerl krümmte sich und stieß zischend die Luft aus. Eine lange Klinge sauste dicht an Jastails Gesicht vorbei, doch ehe der Mann für den nächsten Hieb bereit war, hatte Jastail sein Schwert gezogen und mit einem geschickten Stich den Schwertarm des Angreifers getroffen. Der ließ seine Waffe fallen und ergriff die
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