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Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Titel: Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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zurannte. Ehe er feststellen konnte, ob er getroffen hatte, hörte er hinter sich schnelle Schritte auf dem harten Boden. Tahn dreh te sich um, den Bogen vor sich ausgestreckt, und schlug so einem großen, dunklen Mann einen Speer aus den Händen. Der Angreifer duckte sich und rammte Tahn die Schulter in den Bauch. Tahn rollte sich rückwärts ab und traf mit den erhobenen Beinen die Taille des anderen. Der Mann wurde durch seinen eigenen Schwung in einen großen, weit verzweigten Kaktus geschleudert.
    Tahn fuhr mit der Hand die Bogensehne entlang, um sie auf Beschädigungen zu überprüfen, und warf einen raschen Blick in seinen Köcher. Dann rannte er, so schnell er konnte, den Pfad entlang. Der Staub in seinem Mund schmeckte vertraut – es war der Geschmack von Erde, die die Ernte längst vergessen hatte. Während er rannte, jagten dunkle Gewitterwolken heran und füllten den flimmernden Himmel. Eine kühlere Brise strich über seine heiße Haut, doch die beängstigenden Gedanken in seinem wirren Kopf konnte sie nicht beruhigen. Er sollte wissen, wohin dieser Pfad führte, dachte er, aber er konnte sich nicht daran erinnern. Rannte er auf einen Ort zu, an den er zurückkehren wollte? Weit hinter ihm nahmen andere die Verfolgung auf, und Tahn stellte sich seine eigenen Füße nackt auf dem trockenen Boden vor. Keine schweren Lederstiefel behinderten seine Schritte.
    Er lief schneller.
    Urplötzlich fiel Regen aus den brodelnden Wolken, die von der verborgenen Sonne zornig rot und orange gefärbt waren. Rollender Donner hallte über den Himmel. Tahn achtete genau auf den Pfad, um nicht vom Weg abzukommen, den der Regen gewiss in Matsch verwandeln würde. Doch der Boden stieß das Wasser ab und nahm kein Quäntchen davon auf. Die Tropfen sammelten sich einfach zu einer riesigen, flachen Pfütze. Seine Schritte platschten im Wasser, und seltsame schwarze Blitze brachen aus dem Boden hervor. Sie bildeten dunkle Kreise aus Glas, auf denen die Regentropfen ein helles »Pling« erklingen ließen.
    Als Tahn den Abhang erreichte, sah er den Umriss eines kleinen Hauses neben einem einsamen Baum, der sich verkrüppelt ans Leben klammerte, am Fuß eines sanften Hügels stehen. Er zwang sich, noch schneller zu laufen, und die Regentropfen wurden immer größer. Pfeile flogen an ihm vorbei, vom Wind aus ihrer Bahn geweht. Er senkte die Schultern gegen den starken Wind und rannte. Regentropfen prasselten wie kleine Steine auf sein Gesicht und seine Hände. Der Pfad wurde zu einem Flüsschen, doch noch immer wollte das Land nicht trinken.
    Tahn kam dem Häuschen immer näher. Die Fenster waren dunkel, und es wirkte verlassen. Ein weiterer Pfeil verfehlte ihn, traf das Haus und blieb in der Wand neben der Tür stecken. Tahn duckte sich reflexhaft und blickte zurück, doch im dichten Regen konnte er die Angreifer nicht sehen.
    Er erreichte die Tür, stieß sie auf, den Bogen wie ein Schwert vor sich erhoben, und trat ein. Neben einem niedrigen Bett saß ein Mann, der das Gesicht in den schwieligen Händen geborgen hatte. Zwischen den Fingern hervor fragte er: »Warum bist du zurückgekommen, Tahn?«
    Tahn kannte die Stimme. Der Mann hob langsam den Kopf, und …
    Tahn wachte auf.
    Er schaute tief in die Nacht. Hoch über ihm glitzerten die Sterne wie Eissplitter. Ihrer Position nach würde es bald dämmern.
    Er dachte an den Morgen, an warme Sonnenstrahlen und an Balatin, der über ihrem Feuer Hafer mit Honig mischte. Zu gern hätte er jetzt mit jemandem gesprochen, der viele Jahre lang Weisheit hatte sammeln können.
    Tahn stand auf und ging ein Stück von den anderen weg, um nachzudenken. Wie immer zog es ihn zu Betrachtungen über Tag und Nacht, nah und fern, Land und Himmel. Dieser Drang baute sich stets in ihm auf, oft in seinen Träumen, bis sein Geist davon überfloss und er erwachte. An manchen Tagen lag er bereits wach und wartete darauf, dass sich dieses ungebetene Gefühl einstellte. Aber immer musste er nach draußen gehen und seinen Gedanken die Freiheit geben, weit auszuschweifen. Er schloss die Augen und stellte sich den östlichen Horizont vor, so weit das Land reichte, und malte sich den Sonnenaufgang aus, die allmähliche Wärme und das zarte Erwachen der Farben, wenn das Licht den Tag erfüllte. Wie immer ließ das drängende Gefühl nach, das beinahe ängstliche Bedürfnis innezuhalten, seinem eigenen Herzschlag zu lauschen und sich in die größten, beständigsten Rhythmen einzufühlen.
    Tahn öffnete die Augen

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