Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)
bei Vendanji erzeugt haben mochte. Wahrscheinlich würden schwere Sorgen allein schon für solche Falten reichen, und der Mann schien eine große Last zu tragen.
Schließlich wandte Vendanji den Blick mit etwas freundlicherer Miene dem Feuer zu und sagte nur: »Ruh dich aus.« Dann schloss er die Augen. Die anderen breiteten ihre Decken um das Feuer aus und legten sich schlafen. Alle außer Mira, die etwa fünfzig Schritt entfernt unter einem Baum stand. Das wusste Tahn nur, weil er sie dort Posten hatte beziehen sehen. Jetzt hatten die Schatten sie verschluckt.
Die anderen schliefen bald ein, immer tiefer und langsamer strömten ihre Atemzüge ein und aus. Als Tahn selbst beinahe eingeschlafen war, hörte er gedämpfte Stimmen im Hintergrund raunen. Er hielt die Augen geschlossen, lauschte aber angestrengt.
»Du strapazierst die Geduld der Melura. Ihre Angst vor dir überwiegt das Vertrauen, das du bisher gewonnen hast.«
Der Sheson schwieg.
»Versammeln sie sich?«, fragte Mira und ließ das Schwert in sein Futteral gleiten.
»Ja.«
»Wer ist geladen?«
»Alle, die beim Ersten Eid ein Mandat erhielten.«
»Weshalb muss die Sache dann vor den Hohen Rat?«
»Weil das Land nicht mehr lange bestehen kann. Weil sich die Berichte über Geschöpfe aus dem Born mit jedem Tag mehren. Unsere Bemühungen um Versöhnung und Einigkeit müssen von diesem historischen Beispiel geprägt sein.«
»Die Edukation sitzt im Hohen Rat. Die werden nichts unterstützen, was die Sheson der Regentin anraten.«
»Das spielt keine Rolle.«
»Und was ist mit uns? Warum werden Kinder aus dem Heiligen Tal von der Stille gehetzt?«
Die nächsten Worte des Sheson waren plötzlich sehr deutlich, denn er wandte sich direkt in Tahns Richtung. »Schlafe, Tahn«, sagte die tiefe Stimme. Und damit versank Tahn in seinen Träumen. Auf dem Weg hinab in den Schlaf hörte er noch ein wenig mehr, an das er sich später allerdings nicht würde erinnern können: »Letztendlich ist unser Ziel der Fels der Erneuerung, damit wir erfahren, ob es für diese Kinder aus dem Heiligen Tal überhaupt Hoffnung im Kampf gegen die Stille gibt.«
Die Sonne brannte von einem azurblauen Himmel. Tahn folgte einem staubigen Pfad über kahle Erde, in der nur Wüstenbeifuß gedieh. Wo die Sonne den Boden nicht zu einer harten Kruste gebacken hatte, wirbelten seine Füße kleine Staubwolken auf. Am Horizont stieg die Hitze schimmernd von der Ebene empor. An manchen Stellen wuchs nicht einmal mehr der Wüstensalbei.
Tahn hielt mitten im Schritt inne und reckte den Kopf in die Brise, die gelegentlich den klaren, beständigen Beifußduft über die wüste Ebene wehte. Irgendeine Veränderung hatte seine Wachsamkeit geweckt. Er nahm den Bogen von der Schulter, legte lautlos einen Pfeil an und drehte sich auf den Zehenspitzen einmal um sich selbst. Er sah nichts, doch das Gefühl einer möglichen Gefahr stieg stärker in ihm auf.
Der Wind erstarb, und Tahn blieb ganz allein zurück. Die Ebene breitete sich vor ihm aus. Mehrere hundert Schritt weiter führte der Pfad einen sanften Abhang hinab, und irgendetwas sagte ihm, dass er dorthin musste. Langsam bewegte er sich weiter, tief geduckt und den Bogen halb gespannt.
Ein fernes Kreischen wurde blitzschnell lauter. Tahn warf sich zu Boden, als etwas pfeifend über ihm durch die Luft zischte – ein Pfeil. Er hielt sich dicht am Boden und kroch zu einem kleinen Beifußgestrüpp. Staub drang ihm in Nase und Kehle, und der Schweiß rann ihm von der schmutzigen Stirn. Salz und Staubkörnchen brannten ihm in den Augen.
Tahn wandte sich in die Richtung, aus der der Angriff gekommen war, zog zwei Pfeile aus seinem Köcher und nahm sie zwischen die Zähne. Auf den Knien spannte er den Bogen und hielt ihn bereit. Dann sprang er auf und suchte die Ebene nach dem Angreifer ab. Hinter ihm schwirrte eine Bogensehne, und er sprang zur Seite und fuhr herum. Ein zweiter Pfeil zischte neben ihm durch die Luft. Sein hastiger Schritt wirbelte eine kleine Staubwolke auf. In der Ferne sah er eine Gestalt, die gerade einen weiteren Pfeil anlegte.
»Den Bogen spannen meine Arme, doch der Wille löst den Pfeil«, murmelte er in die heiße Luft und schoss augenblicklich den Pfeil ab. Während die Sehne noch vibrierte, legte er bereits den nächsten an. Eine weitere Gestalt rannte nach rechts auf einen niedrigen Hügel zu. Tahn zielte der Bewegung des Mannes leicht voraus, sprach die Worte erneut und schoss auf den Mann, der auf die Deckung
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