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Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Titel: Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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die mächtigen Schultern ein, um sich durch schmale Öffnungen zu zwängen, und schuf so bisweilen mehr Platz für Wendra und Penit. Shanbe schien selbst von der übersprudelnden Erregung ergriffen zu sein und bleckte die Zähne zu einem ständigen Lächeln.
    Sie kamen an Männern und Frauen mit Gefolge vorbei: Fahnen auf Stangen steckten einen Teil der Straße ab, der einer hochstehenden Familie oder einem Mitglied des Landadels vorbehalten war. Menschen drängten sich um Akrobaten, sahen aber auch häufig in Erwartung des Rennens in eine ganz andere Richtung. Penit sprang dann und wann hoch, um einen Blick auf das zu erhaschen, was vor ihnen lag. Seine kleine Hand war schweißnass vor Vorfreude.
    Shanbe führte sie zwei weniger überfüllte Seitengassen entlang und brachte sie auf einen breiten Sammelplatz, der zu der Mauer führte, die den Solath Mahnus vom Rest der Stadt trennte.
    »Das ist ein Teil der Rennstrecke«, sagte Shanbe. »Die Kinder folgen einer Linie, die in die Straße eingemeißelt ist. Sie führt sie weiter bis zur Mauer des Gedenkens und durch einige der alten Straßen von Decalam, wo einst die ersten Regenten lebten. Dann geht der Lauf zurück hierher und endet am Tor zum Hof des Solath Mahnus. Die Begleiter von Läufern dürfen an der Mauer Aufstellung nehmen, um sie anzufeuern. Die übrigen Zuschauer säumen die Außenseite der Straßen; die Männer des Generals halten sie gut unter Kontrolle, aber das ist eigentlich unnötig, da es kaum jemand wagen würde, ins Rennen einzugreifen, obwohl es lange her ist, dass der letzte Lesherlauf stattgefunden hat – die Traditionen und die Geschichten darüber werden beständig liebevoll weitergegeben.«
    Wendra hörte geistesabwesend zu. Sie suchte die Menge nach Hinweisen auf Tahn, Sutter und die anderen ab. Leute spazierten umher und verschwanden dann so schnell wieder, dass ihr bald klar wurde, wie töricht es war zu hoffen, ihnen zufällig in so einer riesigen Stadt zu begegnen. Aber sie hielt weiter Aus schau, auch als Shanbe sie zu einem Tisch in der Nähe des in neren Stadttors zu führen begann.
    Während sie sich in eine Schlange von Eltern einreihten, die ihren Kindern letzte Anweisungen erteilten, ertönten von anderen Freudenschreie und aufmunternde Zurufe. Ein paar Stimmen lallten weniger passende Anfeuerungen, aber die meisten jubelten den Teilnehmern zu und wünschten ihnen alles Gute.
    »Ein Bursche, der jeder Regentin würdig ist«, brüllte einer.
    »Du wirst die wahrhaftigste Stimme am Tisch des Hohen Rats sein«, rief ein anderer. »Lass dich nicht von ihnen einschüchtern!«
    »He, Simbas Häher ist klein genug«, schrie ein Geselle. »Darf er da am Rennen teilnehmen?« Die Umstehenden brüllten vor Lachen.
    Wendra konnte ein Lächeln nicht unterdrücken, da sie natürlich ahnte, was mit »Häher« gemeint war. Binnen kürzester Frist standen sie am Tisch, an dem zwei Männer mit einnehmenden, klugen Gesichtern saßen.
    »Nimmst du heute am Lauf teil, mein Junge?«, fragte einer von ihnen.
    »Ja, bitte«, antwortete Penit begeistert.
    »Sehr gut. Ist das deine Mutter?« Der Mann schaute mit nachdenklichem Blick zu Wendra auf.
    Wendra erstarrte und sah den Mann ihrerseits ausdruckslos an.
    »So ist es«, warf Shanbe ein. »Es ist alles etwas zu viel für sie. Sie sind beide zum ersten Mal in Decalam.«
    »Ach so! Lasst Euch davon keinen Schreck einjagen, Anais. Es ist hier im Augenblick ein bisschen überfüllt, aber Decalam besteht weiter, weil seine Bewohner anständig sind. Ist es nicht so?« Der Mann wandte sich seinem Tischnachbarn zu.
    »Genau«, sagte der andere. »Dürfen wir Eure Namen erfahren?«
    Wendra nannte dem Schreiber ihren und Penits Namen, und er hielt sie in einem Buch fest. Nachdem er die Namen niedergeschrieben hatte, reichte der Mann Penit eine blaue Anstecknadel, die er an seinem Hemd befestigen sollte. Dann musterte er den Jungen mit ernster Miene.
    »Streng dich an, aber verhalte dich redlich, mein Sohn. Der einzige Verlierer ist derjenige, der nicht alles, was er hat, in den Lauf einbringt. Aber wenn jemand betrügt, macht er dem Lesherlauf Schande und muss einen Monat lang in den Ställen der Regentin Hilfsarbeiten für Schlitzer erledigen.« Er wandte sich an seinen Partner. »Hättest du Lust, für den alten Schlitzer zu arbeiten?«
    »Nein, lieber nicht!«, sagte sein Freund. »Er ist ein fürchterlicher Griesgram. Jeder Augenblick wäre Plackerei. Das würde ich nicht wollen.«
    »Ich werde nicht

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