Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Titel: Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
Vom Netzwerk:
sich. Dann ließ die Türwache sie ein und hob die Standarten, sobald sie aus dem überdachten Eingang hinaus in den eigentlichen Saal getreten war, woraufhin sich die ganze Versammlung erhob und verneigte. Die Regentin grüßte die Menge mit einer Handbewegung und schritt in das große, kreisförmige Amphitheater. Ringsum erhoben sich Sitzreihen, die jeweils von einer niedrigen Balustrade begrenzt waren. Kein einziger Sitzplatz war frei. Sogar die Gänge quollen von Schaulustigen über. Männer und Frauen, alt und jung, gestärktes Tuch und zerknitterte Hemdschöße saßen nebeneinander. Der Geruch der Erwartung und die Wärme dicht zusammengedrängter Körper füllten den Saal aus.
    Auf einer Seite der Arena saßen mehrere Männer hinter einem langen Hartholztisch, der mit dunkelrotbraunem Lack überzogen war. Diese Männer trugen hochgeschlossene Gewänder aus dichtgewobenem schwarzen Stoff, die mit weißen Schulterstücken besetzt waren. Vor ihnen auf dem Tisch lagen Dutzende von Büchern und fleckigen Schriftrollen. Vier von ihnen saßen mit verhärmten Gesichtern und ohne jedes Lächeln vollkommen still da. Wendra fand, dass unter den strengen Mienen der Ausdruck eines Tieres in der Falle mit ihrer fast makellosen Selbstbeherrschung rang.
    Auf der anderen Seite der runden Arena stand ein zweiter Tisch, der genau wie der erste aussah. In der lackierten Tischplatte spiegelten sich die grimmigen Gesichter von Vendanji und einem zweiten Mann, den Wendra nicht kannte. Hinter ihnen, an der kurzen Wand, wo sich die erste Reihe des Theaters erhob, saßen Mira und Braethen – die Fern wie eine Statue, Braethen mit großen, staunenden Augen.
    Sie haben es geschafft!
    Wendra war wie betäubt. Sie erkannte, dass ein Teil von ihr gar nicht mehr damit gerechnet hatte, sie wiederzusehen.
    Als der erste Schreck sich legte, konnte sie sich kaum zurückhalten, zu Braethen hinüberzulaufen und ihn zu umarmen. Aber es war nicht der rechte Zeitpunkt dafür. Vendanji hatte sie mit einem Nicken zur Kenntnis genommen, ebenso Mira. Braethen flüsterte irgendetwas, bevor Mira ihm die Hand auf den Arm legte, um ihn zum Schweigen zu bringen. Wendra verstand. Braethen fragte nach Tahn und Sutter. Sie schüttelte den Kopf.
    Die Regentin ging zwischen beiden Seiten hindurch und stieg einige flache Stufen zu einer bescheidenen Estrade empor, auf der ein alter Holzstuhl stand, der mit Stoff aus Rosshaar bezogen war. Der Stuhl war bestoßen und schadhaft, aber seine stämmigen Beine knarrten und wankten nicht, als Helaina sich langsam darauf niederließ. Sie benötigte einen Moment, um Atem zu schöpfen, bevor sie ihren Gehstock anlehnte und den Blick auf den Männern gegenüber von Vendanji ruhen ließ, die in förmliche Gerichtsroben gekleidet waren.
    Immer noch sprach niemand. Mit der Haltung ihres Kinns, der Eindringlichkeit ihres Blicks und ihrer kraftvollen Präsenz beeinflusste die Regentin die Stimmung im ganzen Saal. So greisenhaft sie auch war, forderte sie doch allein schon durch die Art, wie sie aussah und auftrat, Aufmerksamkeit ein. Wendra fragte sich, ob die Frau aufgrund dieser Eigenschaft Regentin geworden war oder ob das Regentinnendasein sie ihr erst verliehen hatte; da sie sie bereits hatte sprechen hören, vermutete sie, dass Ersteres der Fall war.
    Die Wachen schlossen die Türen des Höchsten Gerichts, und das Krachen hallte im Saal wider. Wendra, Penit und die anderen setzten sich im überdachten Eingangsbereich auf den Boden.
    »Dieser Fall ist bereits abgehandelt und ins Protokoll eingetragen.« Die Regentin richtete ihre Bemerkungen an den ersten Beamten, der um die Schultern eine weiße Kordel trug, deren Enden über einer Reihe winziger Fransen verknotet waren. »Warum werden wir deswegen erneut einberufen, Erster Rat?«
    Der Mann stand auf und räusperte sich. Er kam um seinen Tisch herum und nahm eine Rednerpose ein. »Mein Gesetz«, redete er Helaina an, »diese Sache wurde in der Tat bereits gehört und entschieden. Der Täter sitzt heute in Ketten, die er sich redlich verdient hat. Was mich betrifft, so habe ich nicht den Wunsch, die Angelegenheit wieder vor das Höchste Gericht zu tragen, und Ihr könnt ihr hier und jetzt ein Ende setzen …«
    »Ich kenne meine Machtbefugnisse, Erster Rat«, sagte die Regentin knapp.
    »Vergebt, mein Gesetz.« Er verneigte sich.
    »Kommt auf den Punkt«, sagte die Regentin mit wachsender Ungeduld.
    Wieder räusperte er sich, wobei sich seine hageren, ältlichen Wangen

Weitere Kostenlose Bücher