Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte
auch immer der Grund dafür sein mag.«
»Wahr gesprochen«, antwortete Roth. »Und fasst Euch ein Herz, falls es sich erweisen sollte, dass der Stachel in ihrem Fleisch Sheson heißt.«
»Oder Exigent«, schloss Artixan.
Aszendent Staned setzte sich mit einem gezwungenen Lächeln und wahrte nur mit Mühe die Fassung.
Als alle saßen, räusperte sich der Rennleiter und trat vor. »Herrin, ich stelle Euch den Gewinner des Lesherlaufs und seinen Vater vor.«
Die Frau, die auf dem Lehnstuhl auf der Estrade gesessen hatte, erhob sich. Ihr Umhang glitt in fließenden Falten zu Boden. Auch sie war altersgebeugt. Tiefe Falten verrieten, dass sie ein Leben voller Sorgen und Lachen hinter sich hatte. Braune Altersflecken auf ihrer Stirn, ihrem Hals und ihren Händen hatten dieselbe Farbe wie die Erde, in die sie bald zurückkehren würde. Doch ihre Augen funkelten vor Feuer und Klarheit. Ihr schien keine Einzelheit zu entgehen, und sie sprach erst, als sie genau hingesehen und diejenigen, an die sie sich wandte, gemustert hatte. Sie warf einen kurzen Blick zum Tisch hinüber, und auf einen wortlosen Befehl hin standen alle dort ebenfalls auf und wandten sich Wendra und ihren Begleitern zu.
»Man sagt mir, dass der Gewinner des Sitzes des Kindes nicht so offensichtlich feststeht, wie Ihr behauptet.« Die Regentin wies auf die beiden Jungen.
»Es ist unumstritten, welcher Junge das Band zuerst überquert hat, Herrin«, antwortete der Rennleiter, »aber es steht vielleicht nicht fest, wer der Sieger ist.«
»Schindet nicht unnötig Zeit, Jonel«, drängte sie. »Kommt auf den Punkt.«
»Dieses Kind«, begann er und bedeutete Dwayn, sich vor ihn zu stellen, »hat das Band vor allen anderen überschritten.« Er sah Penit an und hieß ihn mit einem Blick vortreten. »Aber dieses Kind lag im Rennen bis kurz vor dem Ziel in Führung, ist dann aber stehen geblieben und hat sich von dem Bandreißer überholen lassen.«
Die Regentin hob die Hand. »Ist das wahr?«, fragte sie und sah Penit direkt an.
Er nickte. Der Rennleiter drückte ihm sanft einen Fingerknöchel in den Rücken. »Ja, Anais, ich meine, Herrin.«
Penit schaute sofort auf, um zu sehen, in welche Gefahr er sich damit gebracht hatte, dass er die Regentin so angeredet hatte.
Helaina überraschte alle, indem sie gnädig lächelte. »Es ist lange her, dass jemand mich so geehrt hat«, sagte sie und tauschte einen Blick mit dem Sheson. »Würdet Ihr mir nicht zustimmen, Artixan?«
»Das würde ich«, verkündete der alte Mann.
»Wir sind besorgt, dass die Kinder sich verschworen haben könnten, die natürliche Entscheidung des Lesherlaufs zu vereiteln, Herrin«, sagte der Leiter, »und ich bringe die Angelegenheit vor Euch, damit Ihr entscheiden könnt, ob noch ein Rennen abgehalten werden muss oder ob das Ergebnis dieses Laufs bestehen bleibt. Ich möchte, dass im Protokoll meine Sorgfalt bei der Auswahl des passenden Kindermunds vermerkt wird.«
Die Regentin nickte. »Sie ist vermerkt, und das ist auch klug so, Jonel. Danke.« Dann stieg sie ihre einzelne Stufe herab, ging mit langsamen, zielstrebigen Schritten um den Tisch herum und stützte sich dabei auf einen perlweißen Stock, der aus zwei ineinander verschlungenen Holzstücken bestand. Niemand regte sich oder sagte ein Wort, während sie zu Penit kam. Das Geräusch ihrer schlurfenden Schritte und das Klacken ihres Krückstocks auf dem Marmorboden füllten den stillen Raum aus.
Am Ende stand sie vor ihnen. »Kommt zu mir«, sagte sie, lehnte sich den Stock an die Hüfte und streckte Penit und Dwayn die Hände hin.
Jonel versetzte beiden Jungen einen sanften Stoß gegen den Rücken, und sie taten wie geheißen, traten vor und nahmen jeder eine Hand der Regentin.
»Eure Namen?«, fragte sie.
Jeder der beiden Jungen nannte seinen.
Sie sah Dwayn an und nagelte ihn mit ernstem Blick fest. »Hast du dich mit Penit verschworen, um den Lesherlauf zu gewinnen?«
Dwayn schüttelte den Kopf. »Nein, Herrin. Ich bin so schnell gelaufen, wie ich nur konnte. Ich habe nicht damit gerechnet, dass Penit stehen bleiben würde, aber als er es getan hat, bin ich einfach an ihm vorbeigerannt.«
Die Regentin nickte befriedigt, bevor sie sich mit stahlhartem Blick Penit zuwandte. »Und du, mein Sohn? Wenn du dir des Sieges schon gewiss warst, warum bist du dann stehen geblieben?«
Penit sah sich nach Wendra um. Seine Augen blickten flehentlich, aber sie konnte nichts tun, als ihm aufmunternd zuzunicken. Die Geste
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