Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Titel: Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
Vom Netzwerk:
aufblähten. »Unser Urteil ist angefochten worden. Mit einem alten Einwand …« Er warf einen Blick zurück auf die staubigen Schriftrollen auf seinem Tisch. »Aber wir haben keinen hinreichenden Grund gefunden, den Einwand außer Acht zu lassen. Wir könnten das vielleicht umgehen, mein Gesetz, wenn Ihr die Anhörung aufschiebt, bis wir uns in die Angelegenheit eingelesen haben.«
    »Wie lautet der Einwand?«, fragte die Regentin.
    »Bewahrter Wille, mein Gesetz.«
    Ein plötzliches Durcheinander aus Flüstern und Aufkeuchen stieg wie das Rauschen des Windes empor.
    Die Regentin hob den Blick zu den vielen kreisförmigen Sitzreihen und brachte die Menge zum Schweigen. Wendra beobachtete Helaina und konnte nicht einschätzen, was die Regentin selbst von dem Einspruch hielt. Nicht bevor Helaina zum Tisch des Beschwerdeführers sah, was sie bis zu diesem Moment sorgfältig vermieden hatte. Dann verriet ihr Gesicht ihr volles Alter, und der strenge, gebieterische Ausdruck ihrer Stirn und ihrer Wangen erschlaffte. Ihr Antlitz erstarrte zu einer Maske entsetzlicher Erinnerungen und Schuldgefühle, die aber rasch wieder verschwand. Die Regentin gewann die Beherrschung zurück.
    »Könnt Ihr das beweisen?«, fragte die Regentin und sah Vendanji mit strengem Blick an. Wendra bemerkte, dass Artixan, der neben ihr saß, selbst zur Antwort nickte.
    Aber es war nicht Vendanji, der aufstand. Stattdessen erhob sich sein Begleiter, ging um den Tisch herum und baute sich breitbeinig mitten im Gerichtssaal auf. Er ließ den Blick langsam von rechts nach links schweifen und schien dabei in jedes Augenpaar schauen zu wollen. Am Ende wandte er sich mit grimmiger Miene an die Regentin. »Das können wir, Herrin. Wir werden Euch heute zeigen, wie ehrliche Männer in den Gefängnissen schmachten, die Ihr für sie erschafft.«
    Die Regentin sah ihn mit stiller Eindringlichkeit an. »Ihr werdet Euch selbst Eure Schlinge knüpfen, Beistand, wenn Ihr vorhabt, diesem Gericht Schande zu machen.«
    »Ich habe nicht vor, dem Gericht Schande zu machen«, sagte er und betonte dieses eine Wort übertrieben.
    Die Beleidigung war offenkundig, aber die Regentin ließ sie ihm durchgehen. Wendra hatte sofort das Gefühl, dass dieser Beschwerdeführer, der mit Vendanji am selben Tisch gesessen hatte, die Regentin nicht erst seit heute kannte. Sie spürte zugleich, dass Helaina keine zweite unterschwellige Kränkung dulden würde, gemeinsame Vergangenheit hin oder her. Das zu tun hätte ihre Autorität in den Augen aller Anwesenden untergraben. Der Beschwerdeführer schien das ebenfalls zu wissen und setzte sich wieder auf seinen Platz.
    »Eure Bücher«, sagte die Regentin und richtete ihre Aufmerksamkeit erneut auf den Ersten Rat, der noch immer in Rednerpose dastand. »Was sagen sie zu dem Einwand? Es ist schon lange nicht mehr vorgekommen, dass sich jemand hier darauf berufen hat.«
    »Das ist die Schwierigkeit, mein Gesetz«, antwortete der Mann, ohne dass seine eingefallenen Wangen daran beteiligt gewesen wären, die Worte zu formen. Er sprach in säuerlichem, pessimistischem Ton. »Sein Gebrauch liegt weiter zurück als die Erinnerung der meisten hier Anwesenden. Die Überlieferung besagt, dass Regelungen, die schon so lange außer Gebrauch sind, nicht immer besonders bedeutend für unsere Verwaltung sind, mein Gesetz.« Er verneigte sich erneut.
    Der Beschwerdeführer erhob sich wieder von seinem Sitz. »Die Überlieferung besagt auch, dass Gesetze, die in der Charta gewährt worden sind, die Ränke listiger Gerichtsräte und die Reformen der Regierung unnötig machen.«
    Die Regentin ließ sich nicht ablenken, sondern sah weiter dem Ersten Rat in die Augen. »Habt Ihr also die Rechtmäßigkeit dieses Einspruchs festgestellt, Pleades?«
    Es schien den Rat aus dem Takt zu bringen, dass sie seinen Namen gebrauchte, aber er nickte. »In der Tat, mein Gesetz, wenn Ihr nicht vorhabt, Widerspruch dagegen einzulegen, steht es uns nicht zu, dem Publikum eine Anhörung zu versagen, um das Argument zu überprüfen.« Der Mann klang niedergeschlagen, während er Bericht erstattete. »Aber Ihr könnt uns gestatten, es näher zu überprüfen, mein Gesetz, und manche Dinge … vergehen im Laufe der Zeit einfach.«
    Wendra hörte einen unheilvollen Unterton in der Art, wie der Mann schloss. Sie erkannte, dass derjenige, der festgehalten wurde, vermutlich tot sein würde, bevor das Höchste Gericht wieder zusammentrat, um über ihn zu beraten, wenn es dem Ersten

Weitere Kostenlose Bücher