Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte
heute freigesprochen werden. Oder haben wir das Fundament vergessen, das alle Zeitalter hindurch seine Gültigkeit bewahrt hat?«
»Das ist sehr bemühte Logik«, rief der Liga-Rat aus. »Wir haben immer noch nicht mehr als das Wort eines Kindes gegen die Schlussfolgerungen des Höchsten Gerichts. Wir haben einen Mann, der dem Gesetz trotzt …«
»Wir haben«, fiel ihm der Beschwerdeführer mit neuerlicher Heftigkeit ins Wort, »einen Eurer eigenen Männer, der gerettet worden ist, und Ihr wollt ihn lieber gehängt sehen, als mich seine Unschuld beweisen zu lassen. Was stört Euch daran so?«
»Niemanden schmerzt es mehr als mich, dass einer meiner Brüder in der Edukation in die Erde zurückkehren soll, bevor er alles getan hat, was er hätte tun können«, sagte der Liga-Rat und setzte eine verzweifelte Miene auf. »Aber neben allem anderen, was wir tun, stehen wir vor allem hinter den Regeln, die uns Ordnung und Frieden bringen. Wir nehmen uns selbst nicht davon aus, selbst wenn sie uns schwer und persönlich treffen.«
»Das ist gut zu wissen«, erwiderte der Beschwerdeführer, und sein Tonfall verriet seine wahren Gefühle. »Doch wir haben eine Zeugin, die junge Leia, die aussagt, dass der Mann, den Ihr hängen lassen wollt, sich nicht der Bitte um Hilfe an den Sheson schuldig gemacht hat. Und wir wissen, dass Ligaten bei ihm zu Hause aufgetaucht sind, nachdem der Sheson dort gerade das vergiftete Mädchen geheilt hatte, als hätten sie mit seiner Ankunft gerechnet und sich im Voraus bereitgemacht, sich auf ihn zu stürzen. Der Zeitablauf ist interessant …«
»Die zeitlichen Umstände deuten in dieser Angelegenheit nicht im Geringsten auf eine Verschwörung hin«, sagte der Liga-Rat mit Nachdruck und verschränkte die Arme.
»Die Frage, die dem Höchsten Gericht vorliegt, ist doch folgende«, fuhr der Beschwerdeführer fort. »Ein Sheson, der das Leben eines vergifteten Kindes gerettet hat, ein unschuldiger Mann, dem vorgeworfen wird, um die Hilfe dieses Sheson ersucht zu haben, und zwei Jungen, die Willen und Leben des Angeklagten bewahrt haben, sind alle im feuchten Stein Eurer Katakomben eingesperrt. Ihr mögt einwenden, dass der Sheson trotz allem gegen das Gesetz verstoßen hat, woraufhin ich Euch bitten würde, darüber nachzudenken, wie er dazu gekommen ist. Denn wenn er sterben soll, dann müsst Ihr Nachforschungen über die Ligaten anstellen, die dem Mädchen, das zu retten er sich entschlossen hat, verdorbenes Zuckerwerk geschenkt hatten.« Der Beschwerdeführer senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Und die einzige andere Gesetzesbrecherin hier ist Leia, die Hilfe geholt hat, um ihre kleine Schwester zu retten. Das Gesetz verurteilt sie dafür, um die Hilfe des Sheson ersucht zu haben. Aber ich lege Euch folgende Frage vor: Ist sie wahrhaft schuldig? Sie hätte diese Hilfe nicht erbitten müssen, wenn die tödlichen Süßigkeiten nicht gewesen wären, die ihre Schwester erhalten hatte. Oder einfacher ausgedrückt: Macht Ihr es Leia zum Vorwurf, dass sie den Willen einer Angehörigen bewahrt hat, ganz gleich unter welchen Umständen?« Langes Schweigen trat in der ganzen Versammlung ein. Dann schloss der Beschwerdeführer: »Ihr werdet sie gewiss freilassen.«
Der Beschwerdeführer setzte sich wieder neben Vendanji, dessen Gesicht keine Regung verriet. Dennoch hatte Wendra den Eindruck, dass der Sheson befriedigt war. Die Worte des Beschwerdeführers schienen noch im runden Saal widerzuhallen. Mehrere Augenblicke lang äußerte und rührte sich niemand. Die Räte gegenüber von Vendanjis Tisch starrten ausdruckslos zu ihm und den anderen hinüber. Langsam begannen die Zuschauer mit gesenkten Stimmen zu flüstern. Niemand versuchte, sie zum Schweigen zu bringen.
Wendra beobachtete die in Roben gekleideten Mitglieder des Tribunals, deren Mienen unergründlich waren. Shanbe lehnte sich zurück und flüsterte ihr ins Ohr: »Das Tribunal wird sich nicht erheben, bis es bereit ist, eine Entscheidung zu verkünden. Es ist schon vorgekommen, dass man drei Tage zur Entscheidungsfindung benötigt hat.«
»Sprechen sie denn gar nicht über die neuen Beweise?«, fragte Wendra und sah an dem Ta’Opin vorbei zu den leuchtend roten Roben des Tribunals.
»Jedes Mitglied entscheidet allein und fällt ein Urteil. Die Stimmenmehrheit entscheidet.« Shanbe folgte Wendras Blick. »Die Regentin kann die Entscheidung umstoßen, aber das geschieht so selten, dass ich mich nicht entsinnen kann, dass es schon
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