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Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Titel: Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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Willenslenker beendete seine Musterung des Publikums. Seine glänzenden Augen schienen in Flammen zu stehen, da sie das Licht der Lampen der Laternenträger widerspiegelten. Er nahm die senkrechten Säume seines Umhangs, schlug ihn über die Schultern zurück und entblößte den Dreiringanhänger an der kurzen Kette, die er um den Hals trug. Eine raschelnde Bewegung durchlief die Fern. Kein Wort ertönte, kein einziger Ausruf, aber scharrende Füße und Hälse, die gereckt wurden, um einen besseren Blick auf den Sheson zu erhaschen, verrieten gleichermaßen Verwunderung.
    »Kinder des Soliel«, sagte Vendanji. »Habt Dank, dass Ihr uns Unterschlupf vor dem Sturm und den Schatten gewährt, die aufrecht das Land durchstreifen. Ich bitte für diese eine Nacht um Eure Geduld; danach überlassen wir Euch wieder Euren Pflichten.«
    Vendanji hielt inne, und Tahn nahm an, dass der Sheson über die Pflichten nachdachte, von denen er gerade gesprochen hatte.
    Dann nickte der Willenslenker, als hätte er eine Entscheidung gefällt. »Euer Hüteramt wird heute aufgrund der Neuigkeiten, die ich bringe, nur umso wertvoller. Keine Quelle erwähnt auch nur einen Zeitpunkt, zu dem Ihr Eurem Ersten Erbe keine Ehre erwiesen hättet oder ihm nicht gerecht geworden wärt: einem Leben, das Ihr nur bis zu Eurem Einstand lebt, nach dem Euer Geist in das übergeht, was jenseits des Todes liegt. Als Belohnung dafür, dass Ihr den Auftrag erfüllt, die Sprache des Bundes zu bewahren, ist Euch der Segen zuteilgeworden, ein weiteres Leben zu leben, nachdem Ihr diese Welt verlassen habt, in dem Ihr dann Eure Familie um Euch scharen dürft. Und Ihr habt Euch dieses Vertrauens als würdig erwiesen.« Vendanjis Stirn umwölkte sich. »Aber der Weiße wird nach zahllosen Zeitaltern in seinem Grab ruhelos. Seine missgestalteten Geschöpfe schlüpfen am Schatten der Hand durch den Schleier und wechseln aus dem Born in den Westen über. Sie würden Euch und uns alle gern der Hoffnung berauben, die Ihr hütet.«
    Sutter flüsterte Tahn zu: »Wovon spricht er?«
    Tahn zuckte mit den Schultern.
    »Sei still, dann verstehst du es vielleicht«, sagte Grant sanft über ihre Schultern hinweg. »Der Melura verrät sich anderen am ehesten, wenn er den Mund aufmacht.« Tahn dachte, dass dies von allem, was der Mann aus dem Mal bisher gesagt hatte, einem Scherz am nächsten kam, und unterdrückte ein Grinsen.
    »Ich habe die Dolmen über Euren Schiefer hinweg gesehen, und andere, die schon zu Boden gestürzt sind. Das ist eine Entweihung, die nur die Stilletreuen begangen haben können, die nun gegen Euch ziehen. Selbst in diesem Schiefertal seid Ihr nicht sicher. Das wisst Ihr. Es ist unvermeidlich, dass das, was aus dem Born hervorströmt, sich ausbreitet, und die Bedrohung hat es auf Euch abgesehen.« Vendanji trat näher heran und bannte sie mit einem ernsten Blick. »Aber die Stilletreuen haben schon tief im Land zugeschlagen. Vor noch nicht vierzehn Tagen wurde die Bibliothek von Kumram zu Asche verbrannt, so dass Generationen von Gelehrsamkeit über die Sprache des Bundes zerstört wurden. Es gibt andere Aufbewahrungsorte, aber die Bibliothek wurde von mehr als nur ihrem Berg geschützt, um den herum Sheson Schutzzauber gewirkt hatten.« Vendanji hielt inne. »Und sie enthielt die einzige Kopie der Verse der Verlassenen, abgesehen von der, die in der Discantus-Kathedrale aufbewahrt wird. Das Wissen um die Sprache des Bundes ist nun den Händen der Menschen entzogen. Euer Hüteramt für die Bundessprache ist entscheidender und gefährdeter denn je.« Vendanji sah an ihnen vorbei, und seine Augen blickten in weite Ferne. »Wenn die Stilletreuen mit Kumram so kurzen Prozess gemacht haben, fürchte ich, dass Delighast naht … das Ende aller Dinge.« Er schwieg kurz. Alle Fern lauschten aufmerksam. »Was auch immer die Menschen unternehmen, um dieser Bedrohung zu begegnen, Ihr dürft hier nicht daran scheitern, Euren Auftrag zu erfüllen: Die Sprache des Bundes darf nie zerstört oder gestohlen werden. Keine wolkenverhangene Nacht inmitten des Schiefers ist so schwarz wie das, was uns erwartet, wenn das geschieht.« Er machte erneut eine Kunstpause. »Ich fürchte, die Bedrohung wird wieder nach Naltus kommen … diesmal noch stärker …«
    Tahn konnte sich nicht erinnern, es zuvor jemals erlebt zu haben, dass Vendanji einen Gedanken nicht zu Ende führte.
    Der Sheson trat wieder neben Mira. Der junge Mann legte den kleinen Hirtenstab auf den Tisch hinter

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