Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte
wehtaten. Als er erst einmal saß, zog er sofort ein Stück gesalzenes Fleisch aus dem Bündel und nahm einen großen Bissen. Mit vollem Mund sagte er: »Wir müssen noch nicht unbedingt haltmachen. Ich spüre meinen Hintern noch.«
Tahn setzte sich neben ihn und trank einen großen Schluck aus seinem Wasserschlauch. Als er fertig war, sagte er: »Du lügst – vom Hals an abwärts hast du doch noch nie etwas gespürt.«
Braethen und Wendra lachten schwach und suchten sich Stellen am Boden, wo sie ihr Bettzeug ausbreiten konnten. Braethen kümmerte sich um das Feuer. Vendanji trat in die Mitte ihres behelfsmäßigen Kreises. »Esst und schlaft danach rasch. Wir brechen auf, bevor es hell ist. Hat irgendeiner von Euch unerträgliche Schmerzen?«
Sogar Sutter schwieg.
Aber dann schlug er Tahn auf den Schenkel, um ihn aus seinen Gedanken zu reißen. »Los, hören wir uns doch eine Geschichte an!«, sagte er. »Penit, komm her und lass dir etwas für uns einfallen. Ich bezahle auch.« Er warf anstelle einer Münze einen Stein in die Mitte des Kreises, den sie gebildet hatten. »Und lass es nicht an Geist fehlen!«
Tahn hatte bereits bemerkt, dass Sutter eine Art väterlicher Zuneigung zu Penit zu empfinden schien, was ihn überraschte.
Penit kam wie geheißen und lächelte verlegen. Grant saß auf einem Stein, hatte ihnen den Rücken zugewandt und beobachtete den südlichen Himmel, wo vor dem Hintergrund der Dunkelheit die Sterne aufzuflammen begannen.
»Welche Geschichte möchtet ihr denn hören?«, fragte Penit.
»Welche auch immer«, sagte Wendra. »Etwas Bewegendes. Vielleicht etwas Vertrautes. Ach, entscheide du.«
Penit beäugte den Rücken des Verbannten und räusperte sich. Braethen war gerade damit fertig geworden, Holz für ein Feuer aufzuschichten, und entzündete es, als Penit begann.
Grant vollführte eine Vierteldrehung, aber nicht so weit, dass er hätte zusehen können, wie der Junge sein Garn spann.
Penit hob den Kopf, wie Tahn es ihn auf dem Bühnenwagen in Myrr hatte tun sehen, und die Worte begannen einem vertrauten Muster zu folgen, das gewiss ein begabter Autor verfasst hatte: »Vor Jahren trat das Höchste Gericht von Decalam zusammen, um über das Leben eines Mannes zu befinden, der, wie die Leute sagten, verurteilt wurde, weil er das Leben nicht achtete.« Penit schritt zum aufflackernden Feuer und warf sich in Rednerpose.
Sutter lachte begeistert. Tahn lächelte darüber, diese hochgestochenen Sätze von den jugendlichen Lippen des Jungen zu hören. Das Feuer loderte höher und warf Schatten um sie herum. Vendanji trat an den äußeren Rand ihres Kreises und sah mit geringem Interesse zu.
»Fahr fort«, bat Wendra eifrig.
Penit neigte den Kopf leicht zur Seite und sprach weiter, hob aber diesmal die flache Hand, um seine Geschichte zu unterstreichen: »Unser Mann in dieser Erzählung musste sich der Bürde dieser Anklage stellen, während der Adel, die Ratsmitglieder und der Kaufmannsstand allesamt zusahen.« Penit senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Und die Worte, die er sprach, hallen angeblich immer noch im Höchsten Gericht von Decalam wider. Und so geschah es«, sagte Penit und machte sich bereit, eines der größten Rhei-Fols aufzuführen, die er kannte.
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Rhei-Fol: Der Disput
U nd so geschah es«, wiederholte Penit und drehte sich auf der Stelle. Nachdem er einen vollständigen Kreis beschrieben hatte, waren seine Arme eng vor der Brust verschränkt, und er hatte eine ernste Miene aufgesetzt. Seine Augen blickten streng und waren nach unten, zum Feuer, gerichtet. Das Flackern der Flammen trug sehr zu dem vernichtenden Gesichtsausdruck des Jungen bei. »Ihr werdet des Hochverrats bezichtigt, Denolan SeFeery«, sagte Penit in erstaunlich gebieterischem Ton.
Braethen hatte bisher nur betrübt dreingeblickt, doch nun verzog er das Gesicht zu einem traurigen Stirnrunzeln.
Penit fuhr fort: »Seid Ihr Euch der Verbrechen bewusst, die Euch hierherbringen?«
Er drehte sich im Kreis – ein Rollenwechsel – und starrte nach oben in die sternenklare Nacht. Die Haltung seines Kinns drückte eindeutig Trotz aus. »Ich weiß, warum Ihr mich hierhergebracht habt, Herrin«, sagte Penit mit fester Entschlossenheit und einer zweiten verstellten Stimme, die ruhig, aber unversöhnlich war. »Aber es sind Eure Arroganz und Unwissenheit, die meine Taten als Verbrechen bezeichnen. Setzt dieser Verhandlung ein Ende, bevor Ihr Euch in Eurer Hast, einen Sündenbock zu finden, selbst
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