Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte
Sicherheit bringen, aber wenn seine Arme taub blieben, würde er fremde Hilfe brauchen. Auf Joles Rücken schlief er im Gedanken an Wendra ein und war froh, dass er den Wind nicht spüren konnte, der begonnen hatte, sein durchnässtes Haar zu zerzausen …
»He da, braucht ihr Hilfe?«, fragte eine Stimme. »Es wird bald Nacht. Habt ihr etwa vor, im Graben zu schlafen?«
4
Fieberträume
T ahn öffnete die Augen. Jole stand in der Nähe, die Beine des Laufens müde; er ließ den Kopf so hängen, wie er es, wie Tahn wusste, immer dann tat, wenn er erschöpft war. Anscheinend war Tahn am Ende doch noch aus dem Sattel gefallen, und der Strick, mit dem er sich am Sattelknauf festgebunden hatte, war von seiner Vertäuung abgerutscht, so dass er zu Boden gestürzt war. Über ihm war der Himmel immer noch dunkel vor Regenwolken, aber Tahn bemerkte die Blätter, die zart an den dicken Ästen der Bäume knospten. Wo auch immer sie sich befanden, Jole hatte hart gearbeitet, um sie herzubringen.
Zwei Beine spazierten in sein Gesichtsfeld. Tahn versuchte, den Kopf zu heben, aber die Taubheit blieb weiterhin umfassend, so dass er nur die Augen selbst benutzen konnte. Die Stiefel bestanden aus festem Leder und waren mit schwarzen Schnürsenkeln zugebunden, deren Spitzen mit Silbernieten besetzt waren, um sie am Ausfransen zu hindern. Tahn verdrehte die Augen, bis er in ein rundes Gesicht aufschauen konnte.
»Sehe ich wie ein Engel aus, mein Freund?«, fragte der Mann mit leiser, aber zugleich forscher Stimme. »Denn dir sitzt der Anschein des Todes im Gesicht. Ich wette, du bist nicht in der Lage, bei deiner eigenen Rettung mitzuhelfen. Kein Mann schläft im Schlamm, wenn er noch die Kraft hat, es zu vermeiden.«
Tahn krächzte irgendetwas.
»Das habe ich jetzt nicht verstanden!«, erwiderte der Mann. »Macht nichts – du willst sicher wissen, wie es deinem Freund geht. Er ist in schlechtem Zustand, aber auch nicht übler dran als du. Ich gehe einmal davon aus, dass du froh sein wirst, wenn man dir hilft. Nun kannst du brummen, um zu protestieren, aber ich kann deinen Hass besser ertragen als den Gedanken daran, dich hier sterben zu lassen, von Straßenräubern ausgeplündert und kalt bis ins Mark.«
Der Mann hockte sich neben ihn, und Tahn folgte ihm mit Blicken. Der üppige rostrote Mantel des Fremden klaffte auf, als er in die Hocke ging, und Tahn sah das Emblem der Liga deutlich auf der linken Brustseite des Mannes und ebenso in die Mantelspange eingearbeitet, die den Umhang am Hals zusammenhielt. Der Fremde legte Tahn eine Hand auf die Stirn. Ein besorgter Ausdruck trat in seine Augen. »Mir ist nicht daran gelegen, dich in Panik zu versetzen, mein Freund, aber ich habe schon Kinder aus dem Fluss gezogen, die sich lebendiger angefühlt haben als du.« Er lächelte. »Brumm, wenn du mich verstehst.«
Tahn hörte nichts davon. Er konnte nur das Symbol auf der Mantelspange anstarren, die das Obergewand des Mannes verschloss. Wusste er, dass Tahn der Liga in Myrr wegen des jungen Penit die Stirn geboten hatte? Konnte ihn die Nachricht so schnell erreicht haben? Konnte er wissen, dass Vendanji ihn, dichtauf gefolgt von den Stilletreuen, aus Helligtal weggeholt hatte? Alles, was die Stilletreuen so erbarmungslos verfolgten, würde auch die Liga zerstören wollen. Aber das Gesicht des Fremden schien nichts zu verheimlichen, und er erkannte Tahn offenbar nicht. Der Argwohn, den er in den Augen anderer Exigenten, denen er begegnet war, gesehen hatte, spiegelte sich im Blick dieses Mannes nicht wider. Aber der Gedanke minderte seine Besorgnis kaum. Er lag hilflos da und war jeder Laune dieses Mannes ausgeliefert. Vielleicht würde er die Stäbe in Tahns Mantel entdecken, sie auf welchem Wege auch immer missbrauchen oder gar an ein höhergestelltes Mitglied der Liga weiterreichen.
»Ich bin Gehone.« Der Mann zog die Hand zurück, blieb aber bei ihm, die Ellbogen auf die Knie gestützt. »Wenn du trocken und aufgewärmt bist und wieder reden kannst, würde ich gern hören, wie es kommt, dass ihr auf einer Straße, die nach Norden führt, durch die Berge gereist seid.« Ein schiefer Blick. »Das wird dir Zeit verschaffen, eine Lügengeschichte zu erfinden, also denk dir sorgfältig eine aus.« Er lächelte sarkastisch. »Und wenn du schon dabei bist, vergiss nicht, dass du entweder diese Welt in dem Versuch, jemanden zu täuschen, verlassen oder aber den Kerl, der dich davor bewahrt hat, schon zur letzten Ruhe gebettet zu
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