Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte
hervor.
Die Dunkelheit sickerte in ihn ein und verstopfte ihm die Kehle. Er rannte aus Leibeskräften und spürte, wie ihm der Schweiß über Gesicht und Hals lief. In der Ferne brachten leuchtende Teiche aus Dunkelheit frische Schatten hervor, die düster schimmerten, während er weiterrannte; Worte schwebten durch die Luft, Pergament kreiste auf Böen aus heißer Luft, die von brennenden Felsen und aus Erdspalten aufstieg, die in sprudelnden Stößen Hitze von sich gaben. Vögel stürzten zu Boden, als die Luft selbst Feuer zu fangen schien. Breite, dunkle Schemen krochen aus Spalten in den Bergen unter einem immer tiefer hängenden grauen Himmel hervor. Armeen wurden von Wellen zottiger, kraftvoller Wesen niedergetrampelt; das Metall ihrer Klingen zerbrach wie spröde Zweige im Winter. Und hochgewachsene Männer, Sheson, knieten da und brachten ein schwaches Licht hervor, das sich in der Luft auflöste wie Staub von einem Brachfeld.
Plötzlich lagen all diese Dinge hinter ihm, und Tahn rannte direkt durch das Bild einer bekümmerten Kreatur, die in einem niedrigen Käfig in einem Jahrmarktszelt kauerte. Das Bild überraschte ihn. Es fühlte sich nicht wie ein Teil der anderen an. Er warf einen Blick über die Schulter, um sich zu vergewissern, was er gesehen hatte.
»Lass das sein!«, befahl die Stimme. Aber Tahn sah nichts. Die Dunkelheit umfing nun alles und funkelte doch, als wäre sie am Leben. Tahn rannte eine Bergflanke hinauf, auf einen Lichtpunkt zu. Sein Körper war schweißüberströmt, und ihm lief die Nase. Seine Füße trommelten auf Pflastersteine ein, die er nicht sehen konnte, und wurden wund, aber er kämpfte sich weiter und taumelte auf ein Ziel zu, das trotz seiner Bemühungen nicht näher zu kommen schien. Viele Stimmen folgten ihm, trostlose Klänge wie das unbeachtete Flehen eines Straßenjungen oder das Schluchzen einer Mutter an einem frischen Grab. Er konnte die resignierten Stimmen von Menschen hören, Kreaturen, die in den Schatten einer Zelle standen, und der ganze Lärm tönte geradewegs über den flachen steinigen Boden, Feuerstein und Asche, zu hart und düster, um diese verlorenen Seelen in ihrem Todesschlaf zu umfangen. Tahn versuchte, die Melodien von Balladen zu summen, um das Getöse des schrecklichen Chors zu übertönen. Seine eigene Stimme versagte, wurde von der Dunkelheit verschluckt. Vor ihm flackerte der Lichtpunkt und rückte in noch weitere Ferne, während seine Beine müde wurden. Er konnte nicht weiterlaufen. Mit einem großen Satz sprang Tahn auf den einsamen Lichtpunkt zu, aus dem eine einzelne Stimme hervorzutönen schien, die ihn ebenso sicher lenkte, wie der Lichtstrahl es vermochte.
Tahn keuchte und schlug die Augen in einem dunklen Zimmer auf. In der kleinen Schlafkammer schienen sich Schatten zu bewegen. Der Geruch nach trocknender Wolle und Dielen aus Kiefernholz überzeugte ihn, dass diese Dunkelheit echt war. Durch das Fenster gegenüber von ihm war zu sehen, dass es Nacht war, aber die Schatten waren nicht so tief wie in seinem Zimmer. Es war vor Sonnenaufgang. Es gelang Tahn, sich vorzustellen, wie die ersten Sonnenstrahlen über den Rand einer Wüstenebene aufstiegen, und das angemessen zu finden, bevor er in einem traumlosen Schlaf versank.
Stiefeltritte auf dem Fußboden weckten ihn einige Zeit später. Versuchsweise öffnete er die Augen und rechnete halb damit, Jole, den verregneten Himmel und Baumwipfel zu sehen, oder vielleicht das tiefhängende Gewirr von Zweigen über seinem Kopf. Stattdessen erblickte er die grob gezimmerte Decke einer kleinen Kammer im Sonnenschein.
»Das wird aber auch Zeit, Eichhörnchen.« Die Stimme war schwach, aber nur ein einziger Mensch nannte Tahn so.
Er versuchte, den Kopf zu heben, und erkannte erleichtert, dass er es konnte, wenn auch nur ein wenig.
»Überanstreng dich nicht. Helden verlangen sich immer zu viel ab«, sagte Sutter von der anderen Seite des Zimmers. »Aber bilde dir ja nicht ein, dass das bedeutet, dass ich dir jetzt etwas schulde. Held hin oder her, ich bin immer noch ein nackter Mann, der die ganze Nacht unter einer kratzigen Wolldecke zugebracht hat.«
Tahn leckte sich die Lippen und versuchte zu sprechen. Ihm versagte die Stimme. Er schluckte und versuchte es langsamer noch einmal. »Sagtest du Mann ?« Tahn kicherte leise. »Klingt so, als ob es dir besser geht, Rübenbauer.«
Sein Freund lachte zur Antwort. »Ich komme mir vor, als ob eine deiner Pfeilspitzen in meiner Brust steckt.
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