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Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Titel: Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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konnte, noch nie bei ihm gesehen hatte.
    Mit einem vorsichtigen Flüstern erklärte der Sodale: »Die Berge am Ende der Saeculoren sind den Beschreibungen zufolge von der Schönheit und Pracht der Nebelbäume erfüllt, die mehr als hundert Schritt hoch aufragen. Ihre Äste und Stämme sind widerstandsfähiger als tausendfach gefalteter Stahl. Sie sind als der Ewige Hain oder der Unsterbliche Wald bekannt, weil ihr Holz angeblich für die Äxte der Menschen undurchdringlich und ihre Rinde unanfällig für Krankheiten ist. Es steht geschrieben, dass der Nebelbaum pro Jahrhundert nur um einen Jahresring wächst und jeder Ring sich so nahe an seinen Nachbarn fügt, dass man sie kaum voneinander unterscheiden kann.«
    Unterdessen folgte der Sheson Mira weiter voran.
    Braethen fuhr mit gesenkter Stimme fort, aus Ehrfurcht vor einem Wald, der nun verschwunden war und das Land so in gewisser Weise nackt zurückgelassen hatte – es war nur noch vereinzelt mit Eichengestrüpp, niedrigen Zedern und Gräsern bewachsen, die vom frühen Anbruch des Herbstes braun geworden waren. »Die historischen Aufzeichnungen halten fest, dass die Ersten den Hain am Ende der Welt als Quelle der Erneuerung und des Wachstums schufen. In seinem starken Wurzelwerk konnte sich das Gewebe der Welt fortsetzen, wenn sich die Menschen als schlechte Hüter erweisen sollten. Obwohl die Väter diese Welt verlassen haben, nachdem der Kreateur ihre Wirkmacht mit seinem skrupellosen Ehrgeiz besudelt hatte, glaubt man, dass sie hofften, dass das Land und seine Bewohner mithilfe der Kraft der eisenharten Wurzeln würden überleben können, die einen neuen Lössboden weben sollten, auf dem die Menschen Feldfrüchte anbauen konnten – und mithilfe der einstigen Wiederkehr der Bundessprache.« Braethen hielt kurz inne und dachte über seine eigenen Worte nach. »Ein Großteil des Gleichgewichts zwischen Forda und Forsa besteht aus dem besonderen Willenslenken des Nebelwaldes, da er dem Abgrund, in den seine Wurzeln ragen, eine Form abringt.«
    Tahn drehte sich zu ihm um. »Dort werden wir den Tillinghast finden, nicht wahr?«
    Braethen sah ihn an. »Ja.« Der Sodale hielt kurz inne, bevor er fortfuhr: »Aber der Nebelwald ist …« Er brach ab.
    Die Gefährten waren zwischen die umgestürzten Wächter hinabgestiegen. Der Umfang der halb versunkenen Stämme entsprach dem Doppelten bis Dreifachen von Vendanjis Körpergröße. Mira führte sie zwischen zwei parallel liegenden Bäumen hindurch, die einen dachlosen Tunnel durch das Hochtal bildeten. Braethen trat nahe an einen der Bäume heran und legte eine Hand auf die knorrige Rinde. »Deshalb dehnt das Mal sich aus. Das Gleichgewicht ist zerstört.«
    Mehrere Schritte weiter vorn verkündete Vendanji mit Donnerstimme: »Das ist noch nicht alles!« Der Sheson wirbelte herum und sorgte so dafür, dass sie alle mitten im Schritt erstarrten. »Der Verlust dieser Hüter und Symbole« – er wies auf das tote Holz ringsum, ohne es anzusehen – »gereicht uns allen zum Vorwurf. Er ist ein Makel, den wir als ganzes Volk tragen, jeder Mann und jede Frau auf der behaglichen Seite des Borns. Aber er ist zugleich die abscheuliche Hervorbringung der Stilletreuen, hochmütiger, lüsterner, verächtlicher Kreaturen, die alles an sich reißen und es uns überlassen, die schlimmen Folgen zu ertragen, die ihre Gier im Körper eines geschundenen Landes hinterlässt. Wir haben nur eines, was wahrlich uns gehört und was wir wirklich verschenken dürfen. Alles andere gehört uns nicht, sondern kann von uns nur entweder bewacht oder verprasst werden.« Vendanji schaute sich im Kreis um und sah jedem in vorwurfsvoller Ermahnung in die Augen. »Es liegt darin kein großes Geheimnis, und doch ist es kostbarer als alles, was ihr je euer Eigen nennen könntet.« Dann wurde seine Stimme sanfter. »Aber manche verschenken es so billig und besudelt wie die Bettwäsche einer Hure.« Seine Augen verharrten auf Tahn. »Es ist unser Wille. Nichts sonst gehört für immer uns, auf nichts sonst haben es diejenigen so eifrig abgesehen, die hoffen, unsere Welt in Stille zu stürzen, und nichts sonst wird von den edlen, vernunftbegabten Ungeheuern, zu denen wir geworden sind, so abschätzig behandelt.« Wieder suchte sein Blick den seiner Gefährten und sprach so jeden Einzelnen stumm an. »Jenseits dieses Tales liegen die letzten Felsen und die letzte Erde, die sich aus den Wurzeln dieser gefallenen Wächter erhoben haben.« Er wies auf die Gipfel

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