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Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Titel: Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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Er ist der Quilleszent.«
    Das Wort ließ Tahn bis ins Mark erschauern. Obwohl es von der entsetzlichen Stimme dieses dunklen Eindringlings ausgesprochen wurde, haftete ihm irgendwie der Klang der Wahrheit an. Tahn wusste nicht, was es hieß, aber als er herumfuhr, um in die Felsspalte zu spähen, sah er ein unheilverkündendes Wesen ohne äußere Hilfe aus ihren Tiefen emporschweben und wusste, dass es ihm schaden würde, ganz gleich, was es zu bedeuten hatte.
    Vendanji schlug seinen Umhang zurück und erhob sich mit einer anmutigen Bewegung. Grant und Braethen sprangen an seine Seite und hoben ihre Klingen, während der Sheson die Arme vor der Brust verschränkte und über sie hinweg die tiefe Kapuze der schwebenden Gestalt anstarrte.
    Das Wesen erhob sich drei Schritte über den Rand der Felsspalte und spähte auf die Gefährten hinab. »Das ist die Hoffnung, an die sich die Menschen klammern?« Ein bitteres Lachen schien die Luft selbst aufzuschürfen und ließ den Fels unter ihnen und um sie herum erbeben. »Quilleszent hin oder her, das Maß deines Willens ist gering.« Die Kapuze verschob sich sichtlich und wandte sich Tahn zu. »Ein Fehler, den ich mit einem einzigen Wort korrigieren könnte.«
    »Du hast hier keinen Herrschaftsanspruch!«, rief Vendanji über das Heulen des Windes hinweg, das immer noch aus der Felsspalte hervordrang. »Und kein Herz unter uns wird sich dir ergeben!«
    »Keinen Herrschaftsanspruch? Ich bin Zephora«, verkündete die Kreatur. »Meine Macht ist so alt wie der erste Draethmorte, der nach den Ungerechtigkeiten der Juliade, dem Verschließen des Borns und der Einkerkerung von Quietus und allen Werken seiner Hand heraufbeschworen wurde.« Zephoras Tonfall wurde noch harscher: »Ich bin hier weit eher Herr als all eure Räte; ich bin dauerhafter als all eure erneuerten Entscheidungen.« Er warf den Kopf in den Nacken und lachte mit der Stimme der Verdammten.
    Tahn hatte nicht erst den Namen hören müssen, um zu spüren, dass sich diese Kreatur von den Stilletreuen unterschied, die ihn seit ihrem Aufbruch aus Helligtal verfolgt hatten. Zephoras verhülltes Antlitz strahlte Erbärmlichkeit aus – eine Spur von einem Gesicht in der Kapuze sah sie voller Zorn und Bedauern stirnrunzelnd an. Unter diesem bösen Blick bekam Tahn eine Gänsehaut, und seine Finger juckten so stark, dass kein Kratzen half. Irgendwie fühlte er sich an den Geruch und die Textur des schwitzenden Kerkersteins in seiner Zelle unter dem Solath Mahnus erinnert. Nur Rolens Licht und Wille hatten die Herabwürdigung gelindert, die jener Ort Tahns geplagtem Verstand aufgezwungen hatte. Und doch kam die Erinnerung an die Verzweiflung und Bosheit dieses neuen Wesens nur so weit heran wie ein Espenschössling an einen Nebelholzbaum. Schon Zephoras Stimme erinnerte Tahn an das Heulen des Winterwindes zwischen toten Bäumen und an das Elend eines Trauernden, der zu bestürzt war, um seinen Kummer in Worte zu fassen. Daran, und an die Geduld und Stille eines Beinhauses. Zephora drang in Tahns Verstand ein wie ein Geheimnis, das sein Gewissen plagte, und bewegte sich im Einklang mit dem Boden unter seinen Füßen, als würde er ein Begräbnis überwachen.
    Mira wich vor der Kreatur zurück, die Schwerter abwehrend vor sich gestreckt.
    Tahn hob den Bogen und legte einen Pfeil an die Sehne, während Sutter neben ihm sein Schwert zog und es fest mit beiden Händen umklammerte. Vor allem an sich selbst gewandt flüsterte der Rübenbauer: »Er hat ›der erste Draethmorte‹ gesagt.«
    Braethens Schwert begann in einem klaren Ton zu summen, als sein pulsierendes Licht erstrahlte. Der Sodale stellte sich schützend vor Vendanji, wurde aber mit einem leisen Befehl wieder an seinen vorherigen Platz zurückbeordert.
    Zephora senkte sich auf den Rand der Felsspalte herab und landete sanft, immer noch Tahn zugewandt. Auf dem Boden war er so groß wie Vendanji, aber dünner, und er wirkte zerbrechlicher. »Ergebt euch«, sagte der Stilletreue. »Werdet nicht zu Märtyrern, indem ihr euch gegen meine uralte Begierde und meine Macht stellt, vollkommener als ihr aus dem Willen zu schöpfen, der euch bindet.« Er wies auf Vendanji. »Auf dir lasten die Fehlurteile ganzer Generationen, die den Inhalt einer Charta nicht richtig gedeutet haben, deren Verfassern es gar nicht zustand, sie aufzusetzen. Wie du mit diesen kostbaren Gaben umgegangen bist, gereicht dir nicht zur Ehre, da du es darauf abgesehen hast, ein Gefängnis verschlossen zu

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