Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte
erschreckender Geschwindigkeit nahm die Erde eine Totenblässe an, die sich um die Gefährten herum auszubreiten begann.
Tahn und Mira eilten über die Passhöhe und gelangten auf ebenen Boden, während die Welt hinter ihnen in einer Explosion aus Dunkelheit verschwand, die so versengend und schmerzhaft war wie glühende Kohlen. Die Druckwelle schleuderte sie nach vorn und ließ Tahn zu Boden stürzen. Der Knall hallte in langen, sich abschwächenden Wellen an ihnen vorbei und hinterließ eine Leere, von der Tahn befürchtete, dass sie vielleicht die Schreie und das Leid seiner Freunde verschluckt hatte. Er hörte nur sein eigenes Keuchen und die Schritte seiner Stiefel, die im Schotter der Saeculoren knirschten, als er der Fern zum Fels der Erneuerung folgte.
Der Himmel über ihnen leuchtete düster und enthüllte jeden Stern, den Tahn jemals lange genug angesehen hatte, um ihn sich einzuprägen. Er hatte gehofft, Zeit zu haben, über Vendanjis Worte nachzudenken – und über alles, was zu diesem Augenblick geführt hatte. All seine Gedanken verschwammen in seinem Verstand zu einem Nebel und wurden schließlich von Schritten durchbrochen, die ihnen weit unten am Berg in stetigem, zielstrebigem Takt nachstiegen. Vielleicht Vendanji … vielleicht auch nicht. Tahn mühte sich ab, flinker zu klettern, und drängte die Fern, schneller zu laufen.
32
Rudierd Tillinghast
T ahn starrte vor Schweiß, der ihm auch in den Augen brannte. Je höher sie kletterten, desto zugeschnürter fühlte sich seine Brust an. Der Druck ließ ihn keuchen. Bei tiefen Atemzügen durchschnitt ein stechender Schmerz seinen Körper.
Aber sie kletterten weiter.
Zweimal schaute Tahn sich um und sah nichts. Aber als er einen Moment lang den Atem anhielt, konnte er die Schritte hören, die weiter den Felssteig entlangkamen.
Mit neuer Entschlossenheit nahm er den Weg in Angriff und schlitterte hinter Mira her. Sie kämpften sich durch dichtes Brombeergestrüpp. Bisweilen ließ die steile Steigung es scheinen, als würden sie Wände emporlaufen; die trittsicheren Schritte der Fern zeigten Tahn, wohin er die Füße setzen musste. Das Geräusch seines eigenen Herzschlags toste ihm in den Ohren, hinter den Augen und an den Handgelenken. Er konnte sich nicht erinnern, sich jemals des Fließens seines eigenen Herzbluts so bewusst gewesen zu sein und sich doch zugleich dem Grabe so nah gefühlt zu haben.
Als er hinter Mira einen steilen Felsvorsprung zur Linken hinaufeilte, dachte er an seine Freunde aus Helligtal, Sutter, Braethen und Wendra, und Trauer durchzuckte ihn. Die dunkle Explosion hatte sie sicher völlig versengt und alle das Leben gekostet. In diesem Augenblick ließ seine Konzentration nach, und er trat daneben, stürzte und rutschte auf losgetretener Erde und flachen Steinen zum Rand des Felsens. Er versuchte, sich an trockenem Gras und scharfen, eingesunkenen Steinen festzuhalten, die ihm die Hände aufschürften und große Wunden hineinrissen.
Seine Beine und sein Oberkörper glitten über den Rand des Steigs und hingen ins Leere, hundert Fuß über einem Geröllfeld voll scharfkantiger Steine. Tahn hing an den Händen und starrte am Berg vorbei nach oben zum Himmel, der von hellen Sternen übergossen war, die ihm alles vor den Augen verschwimmen ließen. Er bekam nicht einmal mehr genug Luft, um zu schreien, und spürte, dass seine Hände schwächer wurden.
Er lächelte, da er es seltsam fand, dass er auf diese Weise versagte, nachdem er bereits so weit gekommen war … Er raffte alle Kraftreserven zusammen und versuchte, sich wieder hochzuziehen. Er hatte schon fast die Beine über die Kante geschwungen, als er wieder hinabfiel und aufs Neue an den Händen baumelte … und ihm ging die Kraft aus. Dann rutschte eine Hand ab. Ein schwaches Stöhnen entschlüpfte seinen Lippen.
Was ist daran schon so tragisch? , dachte er und richtete den Blick nach unten, wohin er gleich stürzen würde. Meine Familie ist nicht mehr da, meine Freunde auch nicht, und ich kann keinen weiteren Tag ertragen. Ich bin nicht der, den sie in mir zu finden hoffen. Hätte ich nicht einfach mein Leben in Helligtal zu Ende führen können? Ich wäre zufrieden gewesen.
Als er weiter hinabzugleiten begann, war er sich nicht mehr sicher, ob für seinen Sturz nur seine schwachen Hände verantwortlich waren.
Von oben schoss eine Hand herab und packte seinen Arm, bevor seine Finger aufgeben konnten. Der Kopf fiel ihm in den Nacken, und er sah die stirnrunzelnde
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