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Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Titel: Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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unterworfen.« Die Ausführungen des Offiziers riefen weiterhin eine Mischung aus Beifall und Hohn hervor.
    Sutter erreichte den Balkon und kniete sich neben Tahn. »Beim Himmel und Allwillen, Tahn, was ist in dich gefahren? Hast du noch nicht genug davon gesehen?«
    »Das ist nicht die Liga«, sagte Tahn.
    »Nein, aber es ist genauso grauenvoll.« Sutter zog ihn am Ärmel.
    »Hör auf damit!«, schimpfte Tahn. »Stör mich jetzt nicht!«
    »Tahn, was soll das?« Nun sprach aufrichtige Besorgnis aus Sutters Stimme. »Du kannst nichts für sie tun, und selbst wenn du es könntest – die Art von Aufmerksamkeit können wir nicht gebrauchen. Du kannst es dir nicht leisten …«
    » Was zu tun?«, schnitt Tahn ihm das Wort ab. »Ihnen zu helfen?«
    »Du weißt nicht, was hier vorgeht«, sagte Sutter vernünftig. »Was es auch ist, wir haben damit nichts zu tun. Diese Männer haben ihr Schicksal vielleicht verdient.«
    Tahn sah seinem Freund in die Augen. »Einer von ihnen nicht.«
    Sutter erwiderte den starren Blick verwirrt. »Woher willst du das wissen? Kennst du einen von ihnen?«
    Tahn schüttelte den Kopf. »Bitte, Sutter, vertrau mir einfach.« Er hätte gern noch mehr gesagt, aber er wusste, dass alles, was er hätte sagen können, verrückt geklungen hätte, und er hatte keine Zeit, irgendetwas zu erklären.
    »In Ordnung«, sagte Sutter leise, »aber du scheinst gerade mein Abenteuer zu übernehmen.«
    Die Menge drängte sich immer dichter, da die Zahl von Schaulustigen stetig zunahm. Ein drei Mann tiefer Kordon aus Wachen stand hufeisenförmig um den Galgen herum. Die erste Reihe zielte mit den Speeren nach außen, um die Menge auf Distanz zu halten. Der Offizier beendete seine Ansprache und trat beiseite, während jedem der beiden Männer eine Schlinge um den Hals gelegt wurde. Um den Augenblick zu unterstreichen, erscholl Hörnerklang von irgendeinem hochgelegenen Wandelgang oberhalb des Hofs, auf dem sich ein Großteil des Pöbels drängte, um dieses Sterben zu begaffen. Schweigen senkte sich über die Menge, als ein Mann im dunklen Umhang leise mit jedem der beiden Verurteilten sprach. Tahn fragte sich, was der Mann in diesem Augenblick zu ihnen sagen mochte. Als er sie verließ, sah Tahn auf den Wangen des einen Tränen glänzen.
    An der Seite stand ein zweiter Wachsoldat im Scharlachrot von Decalam, die Hand auf einen Hebel gelegt und den Blick auf den befehlshabenden Offizier gerichtet. Es wurde auf dem Hof still genug, um das Zwitschern der Vögel auf der Dachtraufe eines nahen Gebäudes zu hören. Das Vorbeischießen und Hinabstürzen der Schwalben war die einzige Bewegung. Die Sonne fühlte sich plötzlich bedrückend und zu hell an, da sie das Schauspiel in greller Klarheit bloßlegte.
    Tahn nahm seinen Bogen vom Rücken und zog einen Pfeil aus dem Köcher. Er befeuchtete sich die Finger mit der Zunge und überprüfte die Befiederung. Er zeichnete die Narbe auf seiner Hand nach und rief sich in Erinnerung, dass er seine Waffe nicht zu fest umklammern durfte. Dann stand er auf und hielt den Bogen im perfekten Winkel zum Boden gerichtet. Das Herz raste ihm in der Brust und hämmerte in einem unmöglichen Takt. Aber er atmete ruhig und rezitierte die ältesten Worte, die er kannte.
    »Den Bogen spannen meine Arme«, sagte er und atmete aus.
    Alarmrufe wurden unter ihm laut, als die Menge erkannte, dass er mit gespanntem Bogen dastand. Aber Tahn hätte genauso gut am Rande einer Klippe stehen und nichts bis auf einen weiten, leeren Abgrund vor sich haben können, bis auf den Galgen und diejenigen, denen er bestimmt war. Der Offizier sah den Wachsoldaten an, der am Hebel stand. Im selben Moment nickte der Soldat und führte seine Aufgabe aus.
    »Doch der Wille löst den Pfeil«, vollendete Tahn und ließ den Pfeil fliegen.
    Eine Luke öffnete sich, und die beiden Männer fielen hinab. Die Seile spannten sich unter ihrem Gewicht, und als der Strick, der den Mann zur Rechten hielt, sich straffte, segelte Tahns Pfeil ins Sonnenlicht des Hofs und durchtrennte das Seil eine Faustbreit unterhalb des hohen Balkens, an dem es befestigt war. Der Mann stürzte zu Boden. Die Versammelten keuchten vor Schreck und Entsetzen auf, und mehrere hundert Köpfe fuhren herum, um Tahn, den Bogen noch immer auf den Galgen gerichtet, auf dem Balkon stehen zu sehen.
    Wenige Augenblicke später kam ein Trupp Soldaten auf den Balkon gestürmt und legte Tahn und Sutter in Ketten.
    »Ich schätze, wir müssen uns kein Zimmer mehr

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