Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte
I’Forsa, ein angemessenes Gefäß, da bin ich mir sicher. Einen Rat gebe ich dir: Wenn du den Jungen in den Griff bekommst, hast du zugleich auch die Frau im Griff.«
Wendra wusste, dass ihre Beine zitterten, während sie entblößt vor dem Bar’dyn stand. Sie drückte die Knie durch, um auf den Füßen zu bleiben. Jastail hielt ihr Kleid noch einige Augenblicke lang hoch, während der Bar’dyn sie musterte. Am Ende ließ er den Saum fallen, baute sich breitbeinig vor ihnen auf und sah die Stilletreuen an. Der Eifer des Wegelagerers und das Selbstvertrauen, das er den Bar’dyn gegenüber an den Tag legte, überraschten Wendra. Die Geschöpfe aus dem Born waren zwei Köpfe größer als Jastail, und die Kraft, die ihren massigen Schultern und Beinen anzusehen war, hätte die meisten Männer von solcher Dreistigkeit Abstand nehmen lassen.
»Was ist mit der besonderen Fähigkeit, die du erwähnt hast?«, fragte der Anführer der Stilletreuen. »Du verlangst einen unerhörten Preis. Ich muss wissen, ob es wahr ist, wenn ich dir geben soll, was du verlangst.«
»Sing ihm etwas vor, Wendra«, sagte Jastail, und aus seiner Aufforderung sprach beinahe ein Hauch von väterlichem Stolz.
Die Bitte traf Wendra vollkommen unvorbereitet. »Was?«
»Ein Lied, lass uns ein Lied hören.« Er drehte sich um und runzelte gereizt die Stirn.
Sie sah den Wegelagerer voller Schmerz und Verwirrung an. Die Vorstellung, ausgerechnet in diesem Augenblick ein Lied anzustimmen, da Jastail ihr Leben an die Bar’dyn verschacherte, die Spuren der Geburt offen gezeigt wurden, um ihre Fruchtbarkeit zu bezeugen, und Penit ihr vor Angst die Hand so fest drückte, dass sie wehtat, beleidigte sie. Jastail wollte, dass sie wie ein dressiertes Tier auftrat – und irgendwie würde das ihren Wert steigern und den Geldbeutel des Räubers füllen. Kochend vor Hass biss sie die Zähne zusammen. Dann stellte sie überrascht fest, dass sie doch den Keim einer Melodie in sich trug, die wie Säure aus ihrem Magen heraufbrodelte. Es fiel ihr plötzlich schwer zu atmen, und sie begann zu keuchen. Alle Lügen, die Jastail Penit erzählt hatte, waren aufgedeckt, und Wendra dachte an das enttäuschte Vertrauen des Jungen, bis sie spürte, dass sie die Beherrschung verlor.
»Zwing mich nicht, den Jungen zu benutzen, um dich zum Singen zu ermuntern«, warnte Jastail.
»Es reicht«, sagte der Bar’dyn und scharrte mit den mächtigen Füßen. »Wir sind heute nicht hergekommen, um Handel zu treiben, Wegelagerer. Wir werden nehmen, was uns gefällt, und dir die Hoffnung auf Gnade in den kommenden Jahren lassen.«
Jastail riss den Kopf zum Anführer der Bar’dyn herum. »Nicht so schnell, Etromney.« Er hob zum Zeichen des Widerspruchs einen Finger und deutete dann damit auf die Bäume. »Vergiss nicht, dass ich nicht allein bin. Ein ganzer Trupp Männer wird die Anhöhe dort herunterkommen, sobald du dich als … skrupellos erweist.«
Der Bar’dyn machte sich nicht die Mühe hinzusehen. Stattdessen trat er mit zusammengekniffenen Augen einen Schritt auf Jastail zu. Wendra zuckte zurück und zog Penit mit sich. Auf der kleinen Lichtung lag auf einmal die Anspannung einer unmittelbaren Todesdrohung in der Luft. »Ich könnte dir den Kopf vom Hals abzwacken, Made! Du bist ein Teil des Gräuels! Ich würde dich lieber sterben sehen, als mir deine Lügen anzuhören.«
»Bin ich je allein hergekommen?«, fragte Jastail weniger selbstsicher als zuvor und sah unverwandt in die breite, dicke Muskulatur des Bar’dyngesichts empor. »Du solltest dich von meiner Großzügigkeit geehrt fühlen.«
Der Bar’dyn starrte ihn an und warf dann doch einen Blick zu den Bäumen hinüber. »Abgemacht.«
»Warte«, rief Wendra. »Er lügt. Niemand wird kommen.« Sie ließ Penits Hand los und trat vor. Die Beine gaben unter ihr nach, und sie stürzte zu Boden. Sofort richtete sie sich inmitten einer Staubwolke auf die Knie auf.
Jastail wirbelte herum und versetzte ihr einen Fausthieb ins Gesicht. »Ruhe, du Kuh! Du hast nicht die Erlaubnis erhalten zu sprechen.«
Wendra schluckte Blut, und ihr verschwamm alles vor den Augen, in die ihr bei dem Schlag Tränen geschossen waren. Sie griff in ihr Kleid, zog das Pergament daraus hervor und umklammerte es fest. »Er hat in Galadell eine Nachricht für die Männer hinterlassen, die, wie er behauptet, kommen werden. Aber ich habe die Botschaft gefunden, mitgenommen und bis heute versteckt. Siehst du? Kein Trupp ist auf dem Weg
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