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Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Titel: Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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hierher. Er treibt heute allein Handel.« Sie streckte dem Bar’dyn die Nachricht entgegen.
    Aus getrübten Augen sah sie, wie Jastail die Hand noch einmal hob. Bevor er zuschlagen konnte, schwang der Bar’dyn den Arm gegen den Rücken des Wegelagerers und stieß ihn brutal zu Boden. »Erst lügst du, und dann misshandelst du unsere Ware.« Jastail blieb liegen und spuckte Erde aus, während der Bar’dyn Wendra den Pergamentfetzen aus der Hand nahm. Abscheu stieg in ihr auf, als die raue Haut sie berührte. Aus der Nähe nahm sie den Aasgestank der Kreatur wahr.
    Etromney überflog die Nachricht und ließ sie Wendra dann auf den Schoß fallen.
    »Sie ersinnt diese Lüge, um sich zu retten«, warf Jastail rasch ein, »und ganz gleich, wie es darum bestellt ist, ich habe dir eine Frau und ein Kind gebracht. Ich habe Leiholan beschafft.« Jastail kroch zu Wendra und entriss ihr das Pergament, auf dem der Ta’Opin ihr Lied festgehalten hatte. Er streckte es Etromney hin. »Bitte … nimm mich mit.«
    Die Bitte des Wegelagerers verblüffte Wendra. Sie hatte versucht, während des Morgenbrots damit zu drohen, und jetzt wollte der Händler mit den Bar’dyn gehen. Vielleicht versetzte es ihn nur noch in Erregung, sein eigenes Leben aufs Spiel zu setzen.
    Der Anführer der Bar’dyn riss Jastail das Pergament aus der Hand, kehrte zu seiner Schar zurück und redete mit seinen Leuten in einer Sprache, die Wendra nicht kannte. Dann ließ er sich Zeit damit, die Niederschrift von Wendras Lied in Augenschein zu nehmen. Bei jedem Gleiten seines Blicks über die Seite glaubte Wendra, eine Veränderung im Gesicht des Bar’dyn zu erkennen. Am Ende senkte Etromney das geschriebene Lied und flüsterte seinen Gefährten etwas zu. Sofort näherten sich zwei Bar’dyn Wendra und Penit. Wendras Augen brannten noch vor Tränen, aber sie kroch auf allen vieren rückwärts. Penit stand starr da, bis der zweite Bar’dyn ihn hochhob und ihn sich auf eine große Schulter beförderte.
    »Bitte, Etromney!«, kreischte Jastail schrill. »Ich habe viel zu bieten. Es gibt Dinge, die ich weiß.«
    Angesichts dessen hielt der Bar’dyn inne und schien nachzudenken. Dann winkte er einem seiner Begleiter zu, der daraufhin Jastail auf die Beine half. Der Wegelagerer hielt sich mit einer Hand die Schulter, als er zu den anderen Bar’dyn hinüberschritt.
    Der Stilletreue, der vor Wendra stand, bewegte sich schnell, packte sie und umfasste ihr Handgelenk mit einer krallenbewehrten Klaue. Mit einem Ruck zog der Bar’dyn sie auf die Füße und wandte sich ab, um sie zu den anderen zu schleifen. Wendra blinzelte sich Staub und Tränen aus den Augen und sah, wie Penit auf seinem erhöhten Sitz nach Luft schnappte, während er gegen den Drang zu weinen ankämpfte. In diesem Augenblick erinnerte sich Wendra an ein Gespräch, das sie mit einer Bardin über Lieder, die man vom Grunde des Kummers aus sang, geführt hatte, und spürte, wie hunderte von Augenblicken der Einsamkeit und der Enttäuschung in ihrer Brust zu düsteren Melodien zusammenströmten und sich wie eine Sturzflut zwischen ihren Zähnen hindurchergossen.
    Das Lied brach abrupt und unwillkürlich aus ihr hervor – gequälte, schmerzliche Laute, die in einem machtvollen Crescendo anschwollen, Töne, die sich gegeneinanderwandten und in greller Disharmonie übereinander herfielen. Das dunkle Lied entströmte ihrer Lunge in einer Reihe von Schreien, die rau wie Steine, die nicht von Mörtel abgefedert wurden, übereinanderschrammten.
    Das schreckliche Lied durchlief sie und breitete sich wellenförmig um sie aus, und doch lauschte sie ihm und beobachtete es mit Augen, die nichts als Schwarz und Weiß sahen, so dass die Welt ein starres Mosaik bildete. Sie sah die Haut der Bar’dyn schwarz anlaufen, während Rauch daraus aufstieg. Die Bestien brüllten dumpf, und einige von ihnen fielen hin und wälzten sich am Boden.
    Die Anspannung ihres Liedes erfüllte die gesamte Wiese mit einem mächtigen Tosen. Mit jedem Ton wurde Wendra zorniger und der Kontrast in ihrem Gesichtsfeld schärfer. Das Schwarz vertiefte sich, während das Weiß in feurigem Glanz erstrahlte. Sie sang, um alles in die Dunkelheit zu reißen, allem das Licht zu entziehen. Wie aus weiter Ferne spürte sie, dass ihre Arme und Beine vor der Macht erzitterten, die ihrem Mund entströmte. Ihre Haut brannte, aber sie genoss das Gefühl und lächelte um ihr entsetzliches Lied herum, als es auf die Wiese hinausschoss und über die

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