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Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Titel: Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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in Ketten lag, sondern an den Mann und die Frau, die einem Waisenkind ein Zuhause geschenkt hatten. Plötzlich hatte er Heimweh.
    Thalen über seine Liebe zu seiner Arbeit reden zu hören, erinnerte Sutter an seine eigenen Gefühle, die er sich bis dahin kaum eingestanden hatte. Sein Zorn legte sich, und er saß ruhig da und dachte, vielleicht zum ersten Mal, über die Dinge nach, die er liebte.
    Es war seiner Einschätzung nach der Abend seines zweiten Tages in den Eingeweiden des Solath Mahnus. Man hatte ihn von Tahn getrennt und irgendetwas darüber gemurmelt, Komplizen voneinander fernzuhalten. Sutter fragte sich, ob es Tahn gut ging, als er endlich in den Schlaf sank und die Toten in seiner Kerkerzelle sah.
    Tahn saß schon seit zwei Tagen angekettet ohne Wasser oder Essen im Verlies. Der feuchtkalte Geruch schwitzenden Steins wurde nur von dem Gestank nach Unrat, Schmutz und fauligem Stroh überlagert. Von Zeit zu Zeit hatte er gehört, wie sich jemand über ein Abortloch in einer Ecke hockte, aber hier unten schien das kaum eine Rolle zu spielen. Ein Lichtkegel fiel schräg durch ein vergittertes Fenster in der Tür und schien immer schwächer zu werden, bis er schließlich auf die Stelle traf, wo Wand und Fußboden sich am unteren Ende einiger steinerner Stufen begegneten.
    Der Fackelschein, der durch das Fenster drang, fiel zwischen Tahn und den anderen Gefangenen in der Zelle, und Tahn war dankbar dafür. Nachts stöhnte der Mann im Schlaf. Was auch immer sein unsichtbarer Gefährte geträumt hatte, hatte ihn dazu gebracht, mit den Armen um sich zu schlagen, so dass schwere Ketten geklirrt hatten. Vielleicht stöhnte er wegen der blauen Flecken, die einem die unnachgiebige Härte des Steinbodens einbrachte, auf dem sie schliefen.
    Die Ketten, mit denen Tahns Handgelenke und Knöchel gefesselt waren, scheuerten, bis ihm das Eisen auf der wunden Haut brannte. Er bemerkte es kaum; die Wachen hatten ihn beinahe bewusstlos geschlagen, bevor sie ihn an die Wand gefesselt hatten. Sein Herzschlag ließ seine Rippen, die harte Stiefeltritte abbekommen hatten, und die Schnitte in Lippen und Wange pochen. Eine Platzwunde am Hinterkopf machte es unerträglich, sich hinzulegen. Er schlief im Sitzen an die Wand gelehnt, das Kinn auf die Brust gelegt. Sein linkes Auge hatte Schaden genommen, und obwohl er sich nicht daran erinnern konnte, glaubte er, dass jemand ihm auf die Finger gestampft war, so dass die Gelenke nun zu geschwollen waren, um sich beugen zu lassen.
    Es gab kein Fenster ins Freie, das die abgestandene Luft hätte erneuern können. Wann immer Tahn oder sein Mitgefangener sich bewegte oder seufzte, hallte das Geräusch jeder Bewegung von der hohen Decke wider.
    Man hatte Tahn seinen Bogen und seinen Gürtel abgenommen und ihm den Umhang von den Schultern gerissen. Er wünschte, sie hätten ihm wenigstens den gelassen. Der kalte Stein kühlte seinen Körper durch die Kleidung hindurch aus. Sie hatten ihm auch Sutter genommen und den Rübenbauern an irgendeinen anderen Ort gebracht. Im Augenblick hätte Tahn Sutters Scherze gut gebrauchen können, und sei es auch nur, um zu hören, wie er auf die Aufforderung reagieren würde, in diesem Keller eine Wurzel auszugraben.
    Tahn schlief immer wieder für kurze Zeit ein und wusste kaum, ob Tag oder Nacht war, abgesehen davon, dass er schon zweimal auf gewohnte Art erwacht war. Da er irgendwie immer in der Lage war zu spüren, wo Osten lag, blickte er in die Dunkelheit und malte sich aus, dass der Fackelschein, der ein fahles Rechteck warf, in Wirklichkeit das Hohe Licht war, das aufgegangen war, um wie immer die Nacht zu verscheuchen. Der Gedanke tröstete ihn nur wenig, als er die Gitterstäbe ansah, die als dunkle Linien die Helligkeit durchschnitten. Doch in jenen Augenblicken spürte er das Kommen des Tages und zählte die Zyklen, wie sie kamen und gingen. Und wenn die Last des Schweigens ihn zu erdrücken drohte, presste er sich den linken Handrücken an die heile Wange und spürte den vertrauten Umriss seiner Narbe an der Haut. Die Narbe tröstete ihn, wenn auch nur, weil sie immer noch ihm gehörte.
    In seinen ersten Stunden im Gefängnis hatte er noch gehofft, dass Vendanji, Mira oder irgendein anderer seiner Freunde kommen und ihn aus dieser Dunkelheit erlösen würde. Er hatte dagesessen, die Tür mit seinem einen sehenden Auge beobachtet und sich jedes Mal verkrampft, wenn eine Wache auf dem Gang auf und ab gegangen und am Fenster vorübergekommen war.

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