Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte
Es gibt Leute, die sich darüber beklagen, dass Helaina nichts anderes als eine Königin ist. Dazu sage ich, dass das unser Glück ist. Sie wollen anscheinend, dass die Regentin endlose Ratssitzungen anberaumt, in denen dann um Rechte, Privilegien und kleinliche Vorschriften, die das Volk einengen, gerangelt und gestritten werden kann.« Ein ebenso erschöpftes wie gereiztes Seufzen entschlüpfte Rolens Lippen. »Helaina tut, was sie kann, um die sinnlosen Debatten über unwichtige Angelegenheiten abzukürzen. Sie muss alle Änderungen absegnen und kann dabei den Willen des Rates ausführen oder sich entscheiden, auf ihre eigene Weisheit zu vertrauen. In letzter Zeit spricht es sich bis auf die Straßen herum, wenn sie anderer Meinung ist als ihre Ratgeber. Das darf eigentlich nicht nach außen dringen, aber einige derjenigen, die ihr dienen, sind eher auf ihren eigenen Vorteil als auf die Wahrung der Interessen des Volkes bedacht und lassen die Gerüchte an die Öffentlichkeit dringen. Helaina stärkt den Rat, wenn sie ihm ihre Zustimmung erteilt, da die Macht von Van Stewards Armee hinter ihr steht. Aber ein Großteil des Volkes folgt Helaina, weil man sie liebt und bewundert. Sie ist nicht töricht oder gnadenlos; es hat noch nie eine gerechtere oder redlichere Regentin dieses Amt ausgeübt.«
»Warum hat sie dann dieses Zivilisierungsgesetz akzeptiert?«, fragte Tahn zweifelnd.
Rolens Worte brodelten aus der Dunkelheit hervor: »Eine Regentin muss sich entscheiden, welche Schlachten sie ausfechten will, und sie wusste, wer wirklich hinter dem Zivilisierungsgesetz steckte – die Liga der Edukation. Selbst damals schon brachten die Gerüchte darüber, dass der Schleier schwächer wurde, viele dazu, sich eine persönliche Ausgangssperre aufzuerlegen. Nachrichten über Veränderungen in den Grenzlanden im fernen Westen erschienen General Van Steward besorgniserregend genug, die Wachen zu verdoppeln und Anreize zu schaffen, in die Armee einzutreten. Es war nicht der rechte Zeitpunkt, der Liga die Stirn zu bieten. Als die Abstimmung abgehalten wurde, sah ich, wie sie Artixan die Hand auf die Schulter legte. Sie glaubte, dass eine Zeit kommen würde, in der der Sheson-Orden sich nicht mehr mit den Fesseln würde herumplagen müssen, die dieses Gesetz ihm anlegte.« Rolen rasselte mit seinen Ketten, um seine Worte zu unterstreichen. »Sie glaubt daran, weil sie den Gerüchten über die Stille glaubt. Sie glaubt, dass die Sheson wieder berufen sein werden, sich dem entgegenzustellen, was aus dem Born über uns hereinbricht. Wenn der Tag kommt, wird er der Liga einen schweren Schlag versetzen.« Rolens Stimme nahm einen seltsamen, nachdenklichen Tonfall an. »Welch eine Ironie, dass die Hoffnung, dass die Gerüchte über den Weißen falsch sind, zugleich bedeutet, die Sheson von Decalam in Ketten zu halten. Vielleicht habe ich mich geirrt. Vielleicht hätte ich diesen Ort doch verlassen sollen.« Rolens Worte klangen nun schärfer vor Zorn. »Törichten Menschen gegenüber verliere ich leicht die Geduld!«
Tahn zuckte vor der vernichtenden Bemerkung zurück.
»Ein letzter Sitz muss noch besetzt werden«, fuhr Rolen nun wieder in gleichmütigem Tonfall fort. »Der des Kindermunds.« Bevor Tahn nachfragen konnte, erklärte er: »Seit dem Krieg des Ersten Eides nimmt ein Kind einen Platz unter den Männern und Frauen ein, die herrschen und verschiedene Erwachsenengruppen vertreten. Dieser junge Mensch schenkt seine Weisheit und Einsicht denen, die sich kaum noch daran erinnern können, wie es sich anfühlt, Melura zu sein. Manche Berichte deuten darauf hin, dass die Worte des Kindes im Rat den Gang der Dinge schon in Fällen geändert haben, die sonst böse hätten enden können.« Ein weiterer Hustenanfall schüttelte Rolens Lunge. Tahn konnte das Reißen in der Brust des Sheson beinahe selbst spüren. Als Rolen die Beherrschung zurückgewonnen hatte, spuckte er erneut aus. »Aber es ist schon eine Weile her, dass der Kindessitz zuletzt besetzt war. Als Helaina die Gerüchte über die Stilletreuen und den dünner werdenden Schleier nicht länger ignorieren konnte, hat sie alle Mitglieder in den Hohen Rat zurückberufen, und sie hat den Lesherlauf angesetzt, eigentlich eine ganz einfache Angelegenheit, bei der der Sieger eines Wettrennens das Recht erwirbt, für alle Kinder zu sprechen.«
Tahn unterdrückte ein Lächeln, weil er die Risse in seinen blutenden Lippen nicht noch schlimmer machen wollte, aber der Gedanke an
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