Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte
Heimat und ihre Familien beschützen wollen. Lederwämser, Heugabeln, Hirtenstäbe, geschärfte Hacken und alte Ackergäule, Vendanji. Sie hocken auf dem freien Feld, geknechtet von einem notwendigen Erlass, der sie jenseits der Stadtmauer hält. Drinnen dagegen wimmelt es auf den Straßen von Scharlatanen, Kriegsgewinnlern, eingezogenen Ligaten, die es auf ein wenig Macht abgesehen haben, und den verweichlichten Sprösslingen aus Adelshäusern, die von Van Steward erwarten, ihnen Offizierspatente für einen Krieg zu erteilen, von dem sie hinter vorgehaltener Hand behaupten, dass er Unsinn wäre. So etwas habe ich in all meinen Himmeln noch nicht erlebt! Der Retter ist sicher auch einer dieser Kerle«, schloss Malick, »der vorhatte, sich einen Namen zu machen, indem er den Ligaten vor dem Tode durch den Strang bewahrt.« Er schüttelte den Kopf.
»Glaubst du, dass der Ligat unschuldig ist?«, fragte Vendanji schneidend.
Malicks Kopf zuckte bei der Frage zurück. »So unschuldig, wie ein Exigent eben sein kann. Pah! Aber der Mann hat eine Familie. Darin liegt eine gewisse Tragik.«
»Wo ist der Mann, der ihn gerettet hat, jetzt?«, fragte Grant.
»Denen zufolge, die uns mitfühlend gegenüberstehen, hat man den Bogenschützen in dieselbe Zelle wie Rolen gesperrt – das ist aus Sicht eines Exigenten Kränkung und Gerechtigkeit zugleich. Sie werden versuchen, die Sache als Kapitalverbrechen zu behandeln, behaupten, dass es den Wünschen der Regentin zuwiderläuft …«
»Hat dieser Bogenschütze allein gehandelt?«, unterbrach ihn Mira.
»Er war in Begleitung eines anderen. Beide sitzen im Gefängnis. Niemand kennt seinen Namen, aber er wird auf der Straße als ›der Bogenschütze‹ verflucht.«
»Dieser andere, der bei dem Bogenschützen war …«, hakte Mira nach. »Hat er einen Handschuh getragen?«
»Den Handschuh der Sedagin«, sagte Malick. »Kennt Ihr diesen Mann?«
Braethens Gedanken überschlugen sich. Tahn und Sutter waren unbeschadet nach Decalam gelangt. »Ja«, mischte er sich ein. »Es sind Freunde von mir aus Helligtal.« Zum ersten Mal schenkte Malick Braethen einen genaueren Blick. »Ich bin Braethen«, stellte er sich vor und streckte Malick im kalten Mondlicht die Hand hin.
Malick ergriff sie zum Gruß. Als sie sich die Hände schüttelten, bog Braethen instinktiv den Zeigefinger gegen Malicks Handfläche um. Angesichts dieses Zeichens sackte Malick sichtlich der Unterkiefer herunter. Auch er knickte den Zeigefinger um und drückte Braethen die Hand mit eisenhartem Griff. »Und wir sind eins«, sagte er.
Braethen fiel nur eine einzige Antwort darauf ein. »Ich bin ich«, verkündete er leise. Im fahlen Licht sah er Malicks Blick verblüfft zu Vendanji hinüberhuschen.
Der Sheson nickte feierlich. »Er trägt die Klinge der Zeitalter, Malick. Ich habe sie seinen Händen anvertraut. Seine Jugendjahre liegen noch nicht lange hinter ihm, aber er hat die Schriften studiert, und am Tor des Willens hat er das Metall angenommen, obwohl seine Schneide ihm damals fremd war und immer noch fremd ist.«
»Vergebt mir meine Zweifel, Sheson, aber wie kann das sein? Ein Knabe, der die Klinge führt. Und wie soll er seine Pflichten ihr gegenüber, uns gegenüber und … Euch gegenüber lernen?«
»Er weiß schon um einige von ihnen. Ich erteile Euch die Erlaubnis, ihn zu unterrichten, so gut Ihr könnt«, sagte Vendanji, »aber nur eine Stunde lang. Die Arbeit, die uns morgen erwartet, verlangt Schlaf.«
»Eine Stunde?« Malick schüttelte den Kopf, fasste sich dann aber. »Was soll wegen allem anderen unternommen werden?« Er löste seine Hand aus Braethens Griff und sah wieder Vendanji an.
»Wir werden mit der Regentin sprechen. Der Mann, den man ›den Bogenschützen‹ nennt, muss freigelassen werden, und sein Freund ebenfalls. Der Weiße verfolgt sie, sogar im Helligtal und in den Wäldern jenseits der Nesbitthügel.« Vendanji wandte den Blick ab, als würde er noch die westlichen Hügel vor sich sehen, die sie durchquert hatten, um nach Decalam zu gelangen. »Helaina hat recht daran getan, das Große Mandat einzuberufen. Betet, dass es nicht zu spät war.«
»Zu spät oder nicht, die Domäne Wynstout, das Fürstentum Aiyrs und mehrere andere Gebiete haben den Ruf ignoriert.« Malick klang verbittert. »Es genügt ihnen, dass die Stilletreuen ihre Täler und Weiler noch nicht angegriffen haben. Das ist der Fluch des Zweiten Eids. Dieses Zeitalter der Gerüchte macht vorsichtige Menschen
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