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Das Gift der alten Heimat

Das Gift der alten Heimat

Titel: Das Gift der alten Heimat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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den Marienplatz, wo das Quartett aussteigen mußte. Zum Hotel ›Vier Jahreszeiten‹ in der Maximilianstraße ein Taxi zu nehmen, lohnte sich nicht. Karl und Willi staunten, als sie von den Erwachsenen in den Prachtbau hineingeführt wurden. Sie wagten kaum aufzutreten, so vornehm war alles um sie herum. Auch Paul fühlte sich beklommen. Zum ersten Mal in seinem Leben befand er sich in einem Grandhotel der internationalen Klasse. Er spürte, daß die Kleidung, die er und seine Söhne – aber auch Onkel Johann – trugen, diesem Rahmen nicht angepaßt war. Die vier waren in Rheinstadt ja zu einem Fußballspiel aufgebrochen, und nicht, um in einem Welthotel abzusteigen.
    Auch der Portier war von internationaler Klasse. Als er die vier hereinkommen sah, stiegen unmerklich seine Augenbrauen hoch. Die Verhandlungen mit ihm führte Onkel Johann, indem er begann: »Mein Name ist Miller. Ich habe heute mittag telefonisch bei Ihnen drei Zimmer bestellt – ein Doppelzimmer und zwei einzelne.«
    »Wenn Sie Mister Miller aus Amerika sind – ja.«
    »Der bin ich.«
    Die unmerklich hochgezogenen Augenbrauen des Portiers blieben unmerklich hochgezogen.
    »Wir sprachen nicht über die von Ihnen erwünschte Preisklasse, Mister Miller.«
    »Nein.«
    »Soll das jetzt geschehen?«
    »Nein, nicht nötig.«
    Das war deutlich, aber der Portier war sich immer noch nicht sicher.
    »Ihr Gepäck, Mister Miller?« fragte er mit einem suchenden Blick, der nicht von Erfolg gekrönt war.
    »Haben wir keines.«
    »Hat man Sie bestohlen?«
    »Mein lieber Freund«, grinste Onkel Johann, »sagen Sie mir unsere Zimmernummern und quälen Sie sich nicht mit Fragen, die unwichtig sind.«
    Der Gesichtsausdruck, mit dem der Portier der kleinen Karawane aus Rheinstadt nachblickte, als sie zum Lift zog, war mißbilligend und voller Zweifel. Das änderte sich aber dann schlagartig, als wenig später der Portier von dem Gast aus Amerika aus dessen Zimmer angerufen und gefragt wurde: »Können Sie mir einen Juwelier besorgen?«
    »Einen was?«
    »Einen Juwelier.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Ist das so schwer zu verstehen? In Amerika klappt sowas ohne weiteres. Ich brauche einen Juwelier, der ins Hotel kommt, um mit mir ein Geschäft zu machen.«
    »Wann?«
    »Morgen früh.«
    »Morgen ist Sonntag, Mister Miller.«
    »Ich weiß, aber ich brauche trotzdem morgen früh hier im Hotel eine Perlenkette.«
    »Zu welchem Preis?«
    »Sagen wir zehntausend Mark.«
    Von diesem Moment an war der Portier geheilt, und er hätte sich sogar in der Lage gezeigt, einen Schönheitschirurgen auf die Beine zu bringen, der am Sonntag früh eine kosmetische Operation an der Nase der Gattin eines solchen Gastes durchgeführt hätte.
    Nur ein paar Schritte vom ›Vier Jahreszeiten‹ entfernt liegt in München ein ganz anderes Etablissement – das Hofbräuhaus. Größere Gegensätze sind überhaupt nicht vorstellbar. Onkel Johann, Paul und die Jungen saßen am Abend in der ›Schwemme‹ dieses berühmtesten Gasthauses der Welt und erlebten einen Betrieb, der nur noch übertroffen wird von dem Geschehen in den Bierzelten beim alljährlichen Oktoberfest in München. Die ›Schwemme‹ liegt im Erdgeschoß des Hauses. Wie der Name schon ahnen läßt, fließt dort das Bier in Strömen. Getrunken wird nur aus Literkrügen. Kleinere Gefäße sind an dieser Stätte verpönt. Der ständige Lärm aus Blechinstrumenten, die zum Teil größer sind als die Männer, von denen sie gespielt werden, ist ohrenbetäubend.
    Die Leute, die sich an den einfachen, langen Holztischen drängen, kommen aus aller Herren Länder, lachen, singen, schunkeln und vergessen die happigen Preise, die ihnen abverlangt werden. Die Musiker tragen die berühmten bayerischen Lederhosen. Ihre Hüte sind geschmückt mit den ebenso berühmten Gamsbärten, Prachtexemplaren, von denen jedes einzelne ein kleines Vermögen kostet, sofern ihr ›Material‹ nicht von Wildererhand aus den Felsregionen der Alpen geholt wird.
    Natürlich werden in einer solchen Atmosphäre nicht nur Duzbrüderschaften geschlossen, sondern es brechen auch Feindseligkeiten aus, die aber meistens schon im Keim von kräftigen, an ihren Schirmmützen zu erkennenden Ordnern erstickt werden.
    Karl und Willi durften auch gemeinsam einen Krug leeren, mußten aber dann ins Bett. Den kurzen Weg zurück zum Hotel fanden sie alleine. Die Fülle ihrer Erlebnisse an diesem Tag wollte ihnen schier die Brust sprengen, trotzdem waren sie am Ende so müde, daß

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