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Das Gift der alten Heimat

Das Gift der alten Heimat

Titel: Das Gift der alten Heimat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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durchzukämmen. Und überall, wo er sich wieder verabschiedete, hinterließ er beträchtliche Aufträge für seinen Neffen Paul Müller, Aufträge, die ein noch gar nicht entstandenes Werk auf Jahre hinaus sicherten.
    Endlich, es war schon der Abend hereingebrochen, kam Onkel Johann müde und abgespannt nach Hause. Paul sah ihn besorgt an.
    »Du warst heute den ganzen Tag weg, Onkel Johann. Erna sagte mir, daß du nicht einmal zum Mittagessen heimgekommen bist.«
    »Ja«, antwortete Johann, »ich muß mich bei ihr entschuldigen. Ich hätte sie anrufen sollen.«
    »Wo warst du denn?«
    Ein Lächeln huschte über Johanns Gesicht.
    »Bei deinem zukünftigen Kompagnon – und noch bei ein paar anderen.«
    Ist der betrunken? fragte sich Paul. Er schaut aber nicht so aus.
    »Paul«, lachte Johann, »sieh mich nicht so an, ich weiß, was du denkst. Sag, können wir uns nicht bald einmal absolut ungestört eine Zeitlang in dein Büro setzen? Ich hätte etwas sehr Wichtiges mit dir zu besprechen.«
    »Natürlich«, nickte Paul. »Aber was soll das heißen, du warst bei meinem zukünftigen Kompagnon? Ich weiß nichts von einem Kompagnon. Ich hatte noch nie einen und habe auch nicht die Absicht, in Zukunft einen zu haben.«
    »Darüber will ich eben mit dir sprechen.«
    »Wann?«
    »Am besten morgen früh«, erwiderte Onkel Johann. »Für heute reicht's mir nämlich.«
    »Du mußt doch auch einen Mordshunger haben?«
    »Das kann man wohl sagen«, nickte Onkel Johann.
    Man aß bald zu Abend. Es gab Aufschnitt, Butter, dunkles Brot und Tee für Erna und die Söhne. Paul und Johann tranken Bier, dazwischen auch ein Schnäpschen. Johann sprach besonders dem rheinischen Schinkenspeck zu, der nicht zu mager war, so daß er geradezu danach verlangte, zusammen mit Steinhäger auf die dunkle Reise ins Innere Johanns geschickt zu werden.
    »Schmeckt dir das Wässerchen, Onkel Johann?« fragte Paul augenzwinkernd. »Ich kann mich entsinnen, daß mein Vater einmal sagte, der Johann war in Geographie gut. Er wußte immer, welche Stadt in Westfalen diesem Schnaps den Namen gegeben hat.«
    Johann nickte melancholisch.
    »Ja, dein Vater.« Er sah auf die Steingutflasche. »Er war ein lieber Bruder. Er hat mich nicht wie die anderen ausgelacht und abgelehnt, weil ich meine eigenen Ideen von der Welt hatte. Und du erinnerst mich sehr an ihn, Paul, nicht nur äußerlich, auch im Charakter. Schade, daß er nicht mehr lebt. Ich kann es mir nicht verzeihen, daß ich die Verbindung zu ihm so total habe abreißen lassen. Ich habe mich dadurch an ihm versündigt und wäre froh, wenn er sehen könnte, daß ich mir Gedanken gemacht habe, wie ich das irgendwie wiedergutmachen kann, so – ach, Quatsch!«
    Er stand vom Tisch auf und ging hinaus auf die Terrasse. Schweigend sahen Paul und Erna ihm nach.
    »Wat hat er denn?« fragte der vorlaute Willi.
    »Halt den Mund!« sagte Paul streng. »Du mußt nicht in alles deine Nase stecken!«
    Schweigend aß man zu Ende. Dann ging Paul noch einmal in sein Büro und arbeitete die Bestellungen durch, während Erna am großen Fenster mit Blick auf den breiten Rhein saß und strickte. Stricken war ein Hobby von ihr. Sie konnte dabei so schön träumen, die Finger arbeiteten automatisch. Das Fernsehen brachte an diesem Abend nichts nach ihrem Geschmack.
    Die ganze Familie Müller ging dann relativ früh zu Bett. Auch Onkel Johann begab sich auf sein Zimmer, legte sich aber noch nicht nieder, sondern setzte sich ans Fenster und las die Zeitung. Die Nacht war lau, das Fenster deshalb offen. Das Licht der Lampe zog aber zu viele Insekten an, so daß Johann sich veranlaßt sah, das Fenster bald zu schließen. Als es elf Uhr von der Kirche schlug, lag das Haus in tiefem Schlaf. Vorsichtig öffnete Onkel Johann die Tür, damit sie nicht knarrte, und ging in Hausschuhen leise die Treppe hinunter. An der Tür zu Pauls Büro blieb er stehen, schaute noch einmal die Treppe hinauf und schlüpfte dann schnell in den dunklen Raum. Er tastete sich zum Telefon, knipste die Schreibtischlampe an und setzte sich auf den Drehstuhl. Mit unterdrückter Stimme führte er dann mehrere Ferngespräche mit Männern in Amerika, die es gewohnt waren, zu jeder Zeit von Mister John Miller angerufen zu werden und Anweisungen von ihm zu erhalten.
    Obwohl John nicht laut sprach, um im Haus nicht gehört zu werden, verstanden ihn die Männer am anderen Ende des Drahtes gut, trotz der riesigen Entfernung, die zwischen ihnen und John lag. Zum einen

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