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Das Gift der alten Heimat

Das Gift der alten Heimat

Titel: Das Gift der alten Heimat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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größer als Emma und konnte deshalb leicht über ihre Schulter in die Diele blicken. Die herumstehenden und liegenden Dinge, die er sah, machten ihn neugierig.
    »Darf ich reinkommen?«
    »Bitte«, nickte Emma überrumpelt.
    Alle Zimmertüren standen offen.
    »Platz kann ich Ihnen aber keinen anbieten«, fuhr Emma fort. »Sie sehen selbst, wie's bei mir momentan aussieht …«
    »Sie richten sich neu ein?«
    »Ja«, nickte Emma und wandte sich ein zweites Mal ab. »Ich hole die Stoffe.«
    »Aber das ist unnötig, Fräulein Kerbel.«
    »Wieso?«
    »Ich sagte Ihnen doch, wieso.«
    Da ihn Emma daraufhin ratlos anblickte, setzte er hinzu: »Wollen sie den dummen Anruf meiner Frau nicht vergessen und wieder für sie arbeiten, Fräulein Kerbel? Auch für meine Töchter?«
    »Nein!« sagte Emma.
    »Warum nicht?«
    »Weil Onkel Johann mir das verboten hat«, erwiderte Emma mit überraschend fester Stimme. »Wie er mir sagte, hat er das auch Ihnen mitgeteilt.«
    Alfred Malmut sah sie stumm an. Sein Blick wurde bittend. Wie tief bin ich gesunken, dachte der Schrotthändler dabei. Ich krieche vor einer Näherin herum. Und das alles, um bei diesem Scheißamerikaner wieder Boden zu gewinnen.
    »Das kann er doch nicht so gemeint haben«, sagte er. »Sonst wäre er nämlich kein Geschäftsmann. Fragen Sie ihn doch mal, nachdem sich inzwischen der erste Ärger gelegt haben dürfte. Sie werden sehen, daß er mir zustimmt.«
    Doch Emma Kerbel ließ sich nicht erweichen.
    »Nein, Herr Malmut! Ich weiß, was er mir gesagt hat, und daran halte ich mich!«
    Malmut wollte immer noch nicht aufgeben. Seit er den neuen Reichtum in der Wohnung gesehen hatte, witterte er etwas. Von wem das Geld dazu nur stammen konnte, war ihm klar. Vielleicht war es möglich, an dieser amerikanischen Quelle irgendwie teilzuhaben, sie anzuzapfen, wenn man sich ins rechte Licht rückte? Wenn nicht heute, dann morgen. Dringend notwendig hätte man's ja.
    »Fräulein Kerbel«, sagte er, »überlegen Sie doch, Sie schlagen Ihren eigenen Vorteil in den Wind, wenn Sie auf drei Kundinnen verzichten. So würde das auch Mister Miller sehen, glauben Sie mir.«
    »Nein!«
    »Aber –«
    »Nein, Herr Malmut!« Hart war der Blick, der den Schrotthändler musterte. Eine neue Emma Kerbel stand Malmut gegenüber, keine graue Maus mehr. Der Geist Onkel Johanns wehte durch die Wohnung und infizierte das alte Mädchen. Emma Kerbel hatte angefangen, Schrotthändlern nicht mehr aus der Hand zu fressen.
    »Auf solche Kundinnen verzichte ich in Zukunft!«
    Malmut lief rot an.
    »Auf welche?«
    »Auf solche wie Ihre Frau!«
    »Schnappen Sie nur nicht über!« brauste der Schrotthändler auf und setzte, daß er die Beherrschung völlig verlor, hinzu: »Sie lächerliches Würstchen!«
    Emmas Finger zeigte zur Wohnungstür.
    »Raus!«
    »Und meine Stoffe?«
    »Und mein Geld?« Emma funkelte ihn an. »Oder soll ich meinem Onkel mitteilen, daß mir das vorenthalten wird?«
    Malmuts Hand fuhr in die Tasche und brachte das Geld zum Vorschein. Schweigend, mit zusammengepreßten Lippen, hielt er Emma die Banknoten hin. Ebenso schweigend händigte sie ihm daraufhin die zugeschnittenen Stoff teile aus. Grußlos stampfte er zur Tür, warf sie hinter sich zu, und Emma riß anschließend die Fenster auf, weil nach ihrem Gefühl die Luft in der Wohnung einer Reinigung bedurfte. Solche Maßnahmen sind in einer Stadt wie Bochum freilich nur symbolische Akte.
    Jetzt wird's aber Zeit, sagte sich dann Emma und begann Ordnung in das Chaos zu bringen. Die Frist, die sie noch hatte, verging aber viel zu schnell, so daß sie, als Vetter Paul läutete, längst noch nicht fertig war. Sie stieß einen kleinen Schreckensruf aus, rannte ins Schlafzimmer und warf ein paar Sachen in ein kleines Köfferchen. Sie mußte auch noch das Kleid wechseln. Als sie das tat, erwischte sie in der Eile die verkehrten Ärmel. In solchen Situationen ist das fast die Regel. Es war Emma sehr peinlich, daß sie ihre Verwandten warten lassen mußte. Sie entschuldigte sich deshalb vielmals, als sie runterkam. Paul und Erna standen am Wagen und lachten. Und Paul fand gleich die richtigen Worte.
    »Was denkst du denn, Emma«, grinste er, »ich bin da von meiner Frau Gemahlin noch ganz andere Zeiten gewöhnt, wenn ich ihrer harre.«
    Erna winkte mit der Hand und war gleich bemüht, keine Verlegenheit bei Emma aufkommen zu lassen. Sie schob sie auf einen der Hintersitze und setzte sich neben sie, um die räumliche Distanz zwischen ihnen

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