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Das Gift der alten Heimat

Das Gift der alten Heimat

Titel: Das Gift der alten Heimat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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der Trennung von dem Studenten keine Schwierigkeiten, sich zurechtzufinden. Auf Waldfels war er aber erst für den nächsten Tag angesagt. In der Nähe des Besitztums, bei einem Dorfgasthaus, hielt er deshalb an, um noch einmal zu übernachten, ehe er dem einzigen Adeligen in seiner Verwandtschaft gegenübertreten wollte. Über die Eigenschaften dieses Herrn wußte er noch nicht Bescheid. Am Wirtshaustisch, beim Abendessen, bot sich ihm aber Gelegenheit, einiges in Erfahrung zu bringen. Zu ihm setzte sich nämlich ein älteres Paar, bei dem alle Anzeichen dafür vorlagen, daß sie schon lange verheiratet waren. Der Herr Gemahl half seiner Gattin nicht aus dem Mantel, nahm Platz, ehe sie saß, kümmerte sich nicht um ihre Sitzgelegenheit, rief dem Wirt »Ein Pils!« zu und versenkte sich ins Studium der Speisenkarte. Als der Wirt das Bier an den Tisch brachte, bestellte sie sich einen Apfelsaft und er sich ein Natur Schnitzel.
    »Und Sie, Frau Berger?« fragte der Wirt. »Was wollen Sie essen?«
    »Ich bin noch nicht soweit«, antwortete sie, wartete, bis ihr Mann die Karte auf den Tisch legte, und nahm sie dann selbst in die Hand.
    Der Wirt nickte, holte den Apfelsaft, und als er zurückkam, hatte sich auch Frau Berger in die Lage versetzt, das Ihre zu bestellen.
    »Ein Wiener Schnitzel«, sagte sie.
    Dann schwiegen sie und ihr Mann sich gegenseitig an. Die Zeiten, in denen sie sich noch etwas zu sagen hatten, waren längst vorbei, obwohl keiner von ihnen das Gefühl hatte, mehr als über das übliche Maß hinaus mit dem anderen unzufrieden sein zu müssen. Er sorgte seit Jahrzehnten pflichtbewußt für sie; sie hielt ihm das Haus tadellos in Ordnung. Die Zahl seiner Seitensprünge hatte sich in Grenzen gehalten. Auch sie hatte sich nur ein paarmal mit einem alten Schulkameraden und einmal mit einem Zeitschriftenwerber vergessen. Das war alles lange her, sowohl bei ihm als auch bei ihr. Alle zwei hatten es verstanden, ihre Sündenfälle voreinander geheimzuhalten. Beiderseits war also die weiße Weste des einen vor den Augen des anderen rein geblieben. Man kann in der Tat sagen, daß Hans und Elfriede Berger ein stinknormales altes Ehepaar waren, an dem es nichts auszusetzen gab.
    Auch während des ganzen Essens sprachen sie nicht miteinander. Nur einmal sagte er etwas, dies jedoch zu sich selbst und nicht zu seiner Frau.
    »Die Soße könnte auch besser sein.«
    Und im selben Sinne meinte Elfriede Berger: »Die Panade ist zu fett.«
    Als der Hunger der beiden gestillt war, erwachte ihr Interesse an der näheren Umgebung. Sie betrachteten ihren Tischgenossen John Miller. Elfriede Berger tat dies einigermaßen dezent, ihr Mann offen, und auch er war es, der das Gespräch begann.
    »Sie sind fremd hier?«
    »Ja«, nickte Miller.
    »Das sieht man.«
    »Woran?« frage Johnny.
    »Weil Sie einen Schweinebraten gegessen haben. Solche Sachen gibt's hier abends nur aufgewärmt.«
    »Das hätte ich eher wissen müssen«, sagte Johnny nunmehr grinsend. »Er war auch nichts Besonderes.«
    »Aufwärmen«, mischte sich Elfriede Berger ein, »kann man nur Rinderbraten oder Gulasch oder so was. Am besten Gulasch. Auch Lamm geht noch, finde ich.«
    »Ich esse kein Lamm«, meinte Miller.
    »Dann macht Ihre Frau es Ihnen nicht richtig«, sagte Elfriede. »Richtig zubereitet ist Lamm eine Delikatesse. Auch mein Mann hat das ursprünglich nicht geglaubt, bis ich es ihm bewiesen habe. Fragen Sie ihn.«
    »Ich möchte Sie beide etwas anderes fragen«, erwiderte Johnny Miller.
    »Was denn?« kam Hans Berger seiner Frau zuvor.
    »Kennen Sie Gut Waldfels?«
    »Jeder kennt das hier«, sagte Berger. »Warum? Sind Sie geschäftlich interessiert? Wollen Sie hin? Sind Sie Vertreter?«
    »Ich will hin«, erwiderte Miller.
    Berger blickte ihn fragend an und sagte dann: »Na ja.« Das klang skeptisch.
    Nicht anders hörte sich Elfriede Berger an, als sie Johnny fragte: »Oder sind Sie ein Lieferant?«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Weil wir erst kürzlich einen solchen Herrn hier erlebt haben. Er kam allerdings schon von Gut Waldfels und wollte nicht erst hin.«
    »Er war fertig«, fiel Hans Berger ein.
    »Fertig?« fragte Miller.
    »Er hat sich hier einen angesoffen.«
    »Wir haben es miterlebt«, ergänzte Elfriede diese Mitteilung ihres Mannes. »Zuletzt mußte ihm der Wirt fast mit Gewalt den Autoschlüssel abnehmen.«
    Johnny nickte.
    »Um ihm den Führerschein zu retten.«
    »Erstens deshalb«, sagte Hans Berger. »Und zweitens, weil er so

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