Das Gift der Drachen Drachen3
Wein aus einem kristallenen Krug. Mit dem süßen Geschmack des Weins auf den Lippen, der mich leicht schwindeln machte, sprach ich von Waikar Re Kratt, der nicht nur als Lupini Re bekannt war, sondern jetzt auch Lupini Re-Cuhan genannt wurde, weil er diese Brutstätte ebenfalls in seinen Besitz gebracht hatte. Ich erzählte von dem Himmelswächter, den Kratt durch meine Schwester Waivia beherrschte, und erklärte, dass es der Geist meiner Mutter war, ein wahnsinniges Geschöpf, erschaffen durch die wahnsinnige Besessenheit meiner Mutter, ihre DjimbiMagie und indirekt durch Kratts perverse Grausamkeit. Ich trank noch mehr Wein.
Ich berichtete von meiner Einkerkerung in dem geheimen Verlies des Tempels, von den Dingen, die mir dort widerfahren waren, sowie von meiner Rolle bei meiner Rettung und der Jotan Bris, der Schwester des Handelsbarons Malaban Bri. Ich sprach von Gift und Drachenliedern, von Langbein und dem Ritus, den wir in finsterer Nacht unter dem Blätterdach des Dschungels vollzogen hatten. Plötzlich war der Wein nicht mehr süß genug – oder auch zu süß, mag sein -, und ich schob ihn weg.
Während ich vor dem Tisch hin und her ging, an dem der mit dem Messer saß, erklärte ich ihnen, warum noch nie ein Drachenbulle aus einem Ei in einer Brutstätte geschlüpft war und das auch niemals tun würde. Ich erläuterte, dass Drachenbullen nicht aus Eiern schlüpften, sondern dass sie in Yamdalar Cinaigours entstanden, den Kokons, die sterbende Drachenkühe um sich bildeten. Acht Wochen dauert eine Verwandlung von einer sterbenden Drachenkuh in einen Drachenbullen, erklärte ich. Acht Wochen. Und jahrzehntelang, oder genauer, seit Jahrhunderten hatten die Angehörigen der Arbiyeskus in ganz Malacar diese Drachenkokons pflichtbewusst jeden Monat zerstört, und zwar vier Wochen, bevor die Drachen ihre Verwandlung vollendet hatten. Als ich fertig war, hatte der mit dem Messer seine Durian-Frucht verspeist, und gedämpftes Sonnenlicht drang durch die zahlreichen Öffnungen der wunderschönen, aus gegipsten Gittern bestehenden Fenster. Sie warfen Schatten auf die Ranken-und Blattmotive des gefliesten Bodens. Es war weit nach Mittag.
Der Drachenmeister hämmerte an die Tür und verlangte, eingelassen zu werden. Wir hörten das Scharren von Füßen, als er mit den Wachen kämpfte und Flüche schrie.
»Wir lassen den Suwembai-kam am Leben«, erklärte der Messerträger. »Wir benötigen seine Fähigkeiten als ehemaliger Drachenmeister von Re, wenn die Bullen schlüpfen.«
»Aber hüte dich vor ihm, Tansan«, warnte ich sie. »Er benimmt sich oft unberechenbar, ist grausam und stets ungeduldig. Er hat keinerlei Respekt vor dem Leben, gar keinen.«
Ich wusste nicht, was zwischen ihnen beiden in dem Dschungellager vorgefallen war, aber Tansans Miene war hart, als sie zur Tür blickte.
»Wir machen uns seine Fähigkeiten zu Nutze und töten ihn, wenn er nicht länger gebraucht wird«, erwiderte sie und verzog verächtlich die Lippen.
Einen Moment herrschte Schweigen. Wir alle vermieden es, über den entscheidenden Punkt in meiner Erzählung zu sprechen. Der mit dem Messer musterte mich unter seinem dichten Haar, das ihm tief in die Stirn hing.
»Der Calcarifer-Fisch tut das auch, er verwandelt sich von einem Weibchen in ein Männchen«, sagte er ruhig.
»Auch Motten und Schmetterlinge verwandeln sich«, stimmte Tansan zu. »Sie alle werden von Würmern zu geflügelten Insekten in ihren Kokons. Dennoch hege ich Zweifel an dem, was du uns erzählt hast, Zarq. Es gab Zeiten, in denen Krankheiten und Nachlässigkeiten den Arbiyesku daran gehindert haben, die Kokons im Lagerhaus jeden Monat zu zerkleinern. Sicher wäre irgendwo in einem Lagerhaus einmal ein Bulle ausgeschlüpft. Es ist zu unwahrscheinlich, dass in all den Jahrhunderten noch nie jemand über dieses Geheimnis gestolpert ist.«
Ich schüttelte den Kopf, nahm mir eine Handvoll Nüsse aus einem Gefäß mit Kupfer-und Goldintarsien. Ich wollte den Geschmack des Weins von meiner Zunge bekommen, die unangenehme Erinnerung daran, was für ein armseliger Giftersatz er war. »Drachen sind von Natur aus Geschöpfe der Luft. Stellt euch das Gebiet der Dschungelkrone vor, dort wo die wilden Drachen leben. Denkt an die Kokons in den Astgabeln, die dort fester kleben als Schlingpflanzen. Stellt euch vor, wie diese Hüllen, die an den Stämmen kleben, Tag für Tag dem glühenden Sonnenlicht ausgesetzt sind.«
Erneut fühlte ich die Hitze des Scheiterhaufens,
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