Das Gift der Drachen Drachen3
summten Fliegen. Die Sättel der Escoas, ihr Zaumzeug, die Zügel und Satteltaschen waren nirgendwo zu sehen.
Der Drachenmeister brüllte die Kinder und Erwachsenen an, die sich an den Türen und Fenstern der Hütten drängten. »Tretet zurück, zurück mit euch! Drachen sind Drachen, ob sie Schwingen haben oder nicht!«
Piah, Myamyo und Keau aus dem Arbiyesku-Kontingent der Myazedo standen als Wachen vor den Eingängen der Hütten. Piah trug einen Turban aus blutgetränkten Bandagen um den Kopf und schwankte mit leerem Blick heftig hin und her. Er sah aus, als sollte er sich besser hinlegen, nicht Drachen bewachen. Myamyo hatte eine hässliche Schwellung an einem Auge, und die Wange darunter war so dick und rot wie ein Tumor. Er trug die Garderobe eines toten Bayen: eine Weste aus Kitzleder, das so fein war, dass es wie Seide schimmerte, eine extravagante, breite Schärpe im cremigen Orange eines jungen Moschuskürbis, eine weite grüne Hose und weiße Stiefel aus genarbtem Leder. Diese wilde Farbkombination betonte noch die rote Schwellung in seinem Gesicht.
Keau trug immer noch die blutverkrustete Bandage um seine verletzte Hand. Er wirkte bleich und benommen, die Flecken auf seinem Gesicht traten scharf hervor, aber er stemmte beim Gehen die Arme in die Seiten und warf sich in die Brust. Niemand, der nicht dazu autorisiert war, würde an ihm vorbei zu den Escoas kommen, oh nein!
»Wo ist ihre Ausrüstung? Wieso wurden sie derart überfüttert? Wann haben sie das letzte Mal gesoffen?« Der Drachenmeister bombardierte Keau mit Fragen.
Der zuckte gleichgültig mit den Schultern und sah von dem Drachenmeister weg in die Steppe. Er mochte den Komikon nicht sonderlich.
Der Messerträger schob sich durch die Menge in unsere Richtung. An seiner Seite ging Ryn. Es folgte der Zweizöpfige, der einen großen, grauhaarigen Mann vor sich her stieß. Dem Grauschopf waren die Hände auf den Rücken gebunden, und er trug das braune Wams eines Boten, das allerdings voller Flecken und zerknittert war. Der grüne Halbmond auf der linken Seite des Wamses war schmutzig. Nach einem Moment erst erkannte ich in diesem Boten Kaban, den betrunkenen Stallburschen, den ich in der Nacht, in der ich die Escoas gestohlen hatte, bewusstlos geschlagen und gefesselt hatte. Ich erinnerte mich an die Prellungen und das getrocknete Blut zwischen Ryns Beinen und bekam vor Ekel beim Anblick des Mannes eine Gänsehaut.
»Wo ist die Ausrüstung?«, brüllte der Drachenmeister Ryn an.
»In dem Langhaus der Frauen«, erwiderte Ryn. Seine Augen waren blank, und er wirkte, als hätte er ausgeschlafen.
Ich nickte ihm zu. »Bist du bereit, wieder zu fliegen?«, fragte ich ihn.
»Er wird mich auf der Suche nach Chinion begleiten«, erklärte der Messerträger.
»Pass auf ihn auf, und sorg dafür, dass er zurückkehrt. Ich habe ihm versprochen, dass ihm nichts passiert.«
»Er wird mich zurückfliegen.«
Mehr Sicherheiten würde ich nicht bekommen.
Ryn wirkte nicht sonderlich besorgt. Seine Nacht im Arbiyesku und die Nachrichten von der Befreiung der Brutstätte schienen seine furchtsame Unterwürfigkeit ausradiert zu haben. Er stand dicht neben dem Messerträger und betrachtete ihn mit dieser scheuen Bewunderung, mit der Jungen für gewöhnlich Kriegshelden und Drachenmeister verehren.
Der Botenflieger Kaban betrachtete Ryn ebenfalls interessiert, obwohl in seinem Blick feindselige Gier lag. Dafür hätte ich ihn am liebsten zertreten, wie man eine Laus zerquetscht. Ryn spürte Kabans Blick auch und ließ die Hand zur Taille gleiten. Um seine schmalen Hüften trug er eine primitive Lederscheide.
»Du hast ein Messer«, murmelte ich.
Ryn nickte. »Man hat mir auch gezeigt, wie ich es werfen muss.« Er sprach so laut, dass Kaban seine Worte hören konnte. Der Mann schnaubte verächtlich und spie aus.
»Kinder sollten wissen, wie sie sich verteidigen müssen«, sagte der Messerträger, während er mich ansah. Ich merkte an seiner Haltung und seiner Stimme, dass er entweder erfahren hatte, was Ryn durch Kaban hatte erdulden müssen, oder es erraten hatte. »Schon ein Jugendlicher sollte wissen, wie man einen Mann mit einem Messer so verletzt, dass er nicht mehr aufstehen kann.« In der Hütte hinter mir schnaubte eine Escoa. Die Kinder quietschten. Einen Drachen mit Schwingen von so nah betrachten zu können und dazu die Aktivitäten und der Geruch nach Eigelbbrei hatten die Kinder aufgewühlt.
Der Drachenmeister, Ryn und ich sattelten, umringt
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