Das Gift der Drachen Drachen3
und Marktplätzen – und Straßen, die zu der großen Hauptstadt Liru führten.
Die Stadt thronte im Norden hinter Lireh auf Bergkämmen. Wir erkannten davon nur die gewaltigen terrassierten Marmorhäuser, Paläste aus Kalksandstein und strahlend weiße Kuppeln. Aus dieser Pracht erhoben sich noch gewaltiger die drei Kuppeln des Wai-Liru-Tempels, obszöne Monstrositäten, verkleidet mit grünen Kupferschindeln. Türmchen mit geschwungenen, glänzenden Zwiebeldächern drängten sich um die riesigen Kuppeln. Sie glänzten in dem feinen Regen, der von der Bucht heranwehte.
Eine andere Escoa umkreiste die gewaltige Stadt und setzte zur Landung an. Ein weiterer Drache, ein rot und elfenbeinfarben gefleckter, verschwand gerade hinter dem Berg von Liru. Unter der Leitung des Drachenmeisters schwenkte unser Drache ab, kreiste in weitem Bogen über den gewaltigen Schiffen, neben denen die Hafendämme winzig wirkten, und begann langsam mit dem Sinkflug.
Die Größe der Hauptstadt verwirrte mich ebenso wie die riesigen Schiffe, die an den Piers lagen, die Hunderte kleiner Caravellen, die um sie herum auf den Wellen dümpelten, und die Menschen, welche die Werften und Hafenanlagen dahinter zu überschwemmen schienen. Und dann erst der Duft und der Anblick des Ozeans! Ich hatte noch nie zuvor diesen wilden, salzigen Tang gerochen, nie bis zum Horizont geblickt und nur wogende Wellen gesehen. Allein durch seine Größe flößte er Angst ein, und der Geruch des Meerwassers, von Holz, Tauen, Terpentin, Kohlen und der schimmeligen Leinwand von Schiffssegeln … all das war ebenso fremd wie wundervoll.
Wie sollten wir in all dem nur Malaban Bri finden?
Der Drachenmeister lenkte unsere Escoa zu einer erhöhten steinernen Plattform von der Größe eines kleinen Hofs, die am Rand des Kais stand. Ein Schwarm Frauen war auf dieser Plattform versammelt und drängte sich an ihrem Rand. Als wir heranflogen, rannten sie zu der steinernen Rampe, die in drei präzisen, rechteckigen Treppenfluchten bis zum Erdgeschoss führte.
»Verfluchte Huren, verschwindet!«, brüllte der Drachenmeister. Unsere Escoa nahm ihre senkrechte Landeposition ein und schlug mit den Schwingen. Krallen kratzten über den nassen Stein. Wir landeten so sacht wie eine Feder. Ich fragte mich, wie ich jemals so unerfahren hatte sein können, dass ich bei der Landung fast von meinem Drachen gefallen wäre.
Weder der Drachenmeister noch ich selbst jedoch vermochten ebenso einfach abzusteigen. Mein Rückgrat fühlte sich so steif an wie eine Muschelschale und meine Beine gummiartig wie Riementang. Der Drachenmeister sah aus, als ginge es ihm genauso mies. Wir vermieden es, uns in die Augen zu sehen, ergrimmt über unsere schwachen Körper.
Die Frauen, die vor unserer Landung auf der Plattform gestanden hatten, kamen mit schwingenden Hüften und kleinen Glöckchen an den Füßen wieder die Rampe herauf. Ihre schmutzigen Blusen waren weit ausgeschnitten und enthüllten ihre dunklen, mit farblosem Öl eingeschmierten Brüste.
Die Frauen grinsten, zum Teil zahnlos, und im nächsten Moment brachen sie in werbendes Gezeter aus, prahlten mit ihren Fähigkeiten, ihren günstigen Preisen, dem Ausmaß der Ekstase, die sie zwischen ihren Beinen garantierten. Ich glotzte sie nur staunend an.
Der Drachenmeister war ihren Verlockungen gegenüber anscheinend taub und sicherte geschickt die Schwingen unserer Escoa mit den Bolzen. Ich folgte ihm die Rampe hinab und errötete heftig, als eine Hure ihre Brüste an mir rieb. Sie stank nach Rauch und schalem Bier.
Mit eingezogenen Köpfen gingen wir an den Lagerhäusern des Kais vorbei.
Satons – Drachen, die keine Eier legten und denen die Schwingen amputiert waren – waren allgegenwärtig. Sie zogen Karren mit Ballen aus Jute und Tabakblättern, Ölfässer, Kautschukplatten und in Stroh verpackte Dracheneier. Die Kutscher brüllten die Menschenmenge an, ihnen den Weg freizumachen, während hinter ihnen Straßenjungen umherliefen und den Drachendung auffingen, noch bevor er die ausgefahrenen Steine des Kais berührte. Anschließend rannten sie mit dem wertvollen Brennmaterial davon. Kaiarbeiter, die unglaubliche Mengen von duftendem Mahagoniholz schleppten, gingen über die Piers und stiegen Laufplanken hinauf, während eiserne Waggons an uns vorbeiratterten.
Streunende Hunde mit eingeklemmten Schwänzen rannten überall herum, Bettler hockten am Rande der Piers. Korpulente braunhäutige Frauen, Abkömmlinge der Insel Lud y Auk,
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