Das Gift der Drachen Drachen3
Unterredung zwingen …
Meine Escoa schnaubte und bewegte sich unbehaglich.
»Ruhig, ganz ruhig«, murmelte ich. Sie drehte ihren Kopf zu den geisterhaft weißen Wohnhäusern von Liru auf dem Berg und starrte aufmerksam in den dunklen Himmel.
»Das wurde auch Zeit«, knurrte der Drachenmeister. Er richtete sich von der Wand des Kontors auf, an der er gekauert hatte, und blickte mürrisch auf die Bucht hinaus. Seine Kniegelenke knackten, als er sich aufrichtete.
Dann sah ich es auch: Ein geflügelter Drache näherte sich uns. Er flog tief und kam schnell näher. Erleichterung stieg heiß in meine Kehle und rauschte in meinen Ohren. Irgendwie hatte der beinlose Bettler seine Nachricht Malaban Bri überbracht, und der war gekommen. Allein.
Der Drache landete mit gewaltigen Schlägen seiner Schwingen, die die feuchte Luft peitschten. Die Tür des Kontors hinter mir öffnete sich quietschend. Ein gelblicher Lichtkegel umgab mich, als der stämmige Mann mit der Laterne in der erhobenen Hand hinausblickte.
Der Drachenflieger war schlank und trug warme Lederkleidung. Er begrüßte den Mann hinter mir mit erhobener Hand.
»Danke, Shendar.« Die Stimme war hoch, klang weiblich. »Du kannst jetzt abschließen und nach Hause gehen.«
Ich spähte durch die Dämmerung, und mein Herz machte einen Satz in meiner Brust. »Jotan? Jotan Bri?«
Der Drachenflieger grinste. Nein, es war eine Fliegerin. »So sehen wir uns also wieder, Zarq.«
Es war tatsächlich Jotan. Die Frau, die ich das letzte Mal bewusstlos und dem Tode nahe gesehen hatte, nachdem sie monatelang in dem geheimsten und berüchtigtsten aller Verliese des Tempels eingekerkert gewesen war.
»Du kannst fliegen?«, fragte ich ungläubig.
Sie zuckte gelassen mit den Schultern. »Ich wollte es unbedingt lernen. Malaban sagt, dass ich nach meiner Rückkehr schwierig und leichtsinnig geworden wäre. Ich glaube, er hat recht. Steig auf und folge mir.«
Der Drachenmeister klappte mehrmals seinen Mund auf und zu, trat dann zu mir und riss mir die Zügel aus der Hand. Einem Impuls folgend, trat ich von ihm weg und stellte mich vor Jotans prächtiges Reittier, das mich mit funkelnden Augen betrachtete. Die Luft, die die Schwingen von Jotans Drachen uns entgegengeschlagen hatten, roch so süß und pfeffrig wie frische Orchideen.
»Darf ich mit dir fliegen?«, fragte ich.
Mit einem Grinsen rutschte sie in ihrem Sattel zurück und deutete einladend vor sich. »Nur, wenn du unter mir liegst.«
Augenblicklich sammelte sich feuchte Hitze zwischen meinen Schenkeln. »Du hast ja schon immer lieber oben gelegen.«
Sie warf den Kopf in den Nacken und lachte schallend. Ich schwang mich vor ihr in den Sattel.
In ihrem regennassen Lederzeug fühlte sie sich so kühl und glitschig an wie eine nasse Drachenschwinge, und ihr Atem strich warm über meinen Hals, als sie die Flugposition einnahm und sich über mich legte. Sie roch nach mit Nelken gerösteten Pflaumen und rotem Wein.
»Ich bin froh, dass du gekommen bist«, murmelte sie und streifte mit den Lippen zärtlich mein Ohr.
Dann erhoben wir uns in die Luft.
17
M alaban ist unterwegs«, erklärte Jotan, als sie den Drachenmeister und mich durch einen Korridor führte. Mosaike glitten an uns vorbei, prächtige blauweiße Fliesen, die im dem Licht der Laterne glänzten, die uns eine Dienstmagd vorantrug.
»Bleibt er nur über Nacht weg, oder ist er gar nicht in Lireh?«, erkundigte ich mich angespannt.
»Er macht Geschäfte mit einer Brutstätte im Inland. Er verkauft an sie Felle und Elfenbein von Seeelefanten aus dem Norden.«
Ich fluchte ausgiebig und griff dabei zu den eher schillernden Ausdrücken in meinem Vokabular, bei denen es um den Beschwingten Unendlichen und ein Schwein ging. Der Drachenmeister neben mir murmelte nachdrücklich etwas, was ich allerdings nicht verstand.
Jotan warf mir einen kühlen Blick zu. »Malaban kommt in einer Klauevoll Tagen wieder zurück.«
»Du musst ihn sofort zurückrufen«, erwiderte ich. »Es haben sich Ereignisse in Gang gesetzt, die seine sofortige Aufmerksamkeit erfordern …«
»Und du glaubst, ich wüsste nicht, wie ich damit umgehen sollte?« Wieder sah sie mich unter ihrer tropfnassen Lederkappe kühl an.
Ich zögerte. »Mir ist nicht klar, ob du über … gewisse Dinge informiert bist.«
»Ich weiß alles, was Malaban weiß.«
»Aber … du warst sehr lange eingekerkert. Ich bin nicht sicher, ob dir alles bekannt ist, was sich in dieser Zeit außerhalb unseres
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