Das Gift der Drachen Drachen3
von Zuschauern, drei Escoas und schoben ihnen die Halfter über die Schnauzen. Kaban machte eine bissige Bemerkung, wie dumm es wäre, einen Drachen ohne Nasenhantel zu fliegen. Der Zweizöpfige rammte daraufhin dem Boten den Griff seines Messers so fest gegen das Ohr, dass es klang, als hätte jemand eine Nuss mit einem Stein geknackt.
Dann trat der Messerträger ruhig neben den taumelnden Boten. »Wenn ein Junge, der halb so alt ist wie du, eine Escoa ohne Nasenhantel hat bändigen können, und du schaffst das nicht, was bist du dann für ein Botenflieger, hm?«
Der Tonfall und die Haltung des Rebellen beunruhigten mich. Er erinnerte mich zu sehr an Kratt. Kaban würde diesen Tag nicht überleben, dessen war ich mir sicher. Ebenso wenig würde er einen leichten oder schnellen Tod finden. Dieses Wissen bereitete mir Gewissensbisse, obwohl ich eigentlich nur grimmige Befriedigung empfinden wollte. Aber ich sagte nichts, was den Mord hätte verhindern können. Nein. Und wäre ich noch einmal in derselben Lage, würde ich erneut stumm bleiben.
Zwei alte Männer vom Gerberclan brachten uns Beutel mit Proviant, die wir in unseren Satteltaschen verstauten. Danach führten wir die Escoas auf die Steppe hinter dem Gelände. Eine Traube von Kindern folgte uns. Als wir die Schwingenbolzen und Fußfesseln entfernten, versammelten sich noch mehr. Unter dem Gemurmel der Menge stiegen wir auf. Als die Drachen über das trockene Gras rannten, ihre großen Schwingen ausbreiteten und Staub aufwirbelten, stiegen Jubelschreie auf, sowohl von den Rishi, die sich um uns versammelt hatten, als auch von denen, die im Lagerhaus des Arbiyesku arbeiteten.
Unter diesen jubelnden Schreien flogen wir empor und machten uns jeder auf seinen Weg.
Bei Anbruch der Nacht und in einem Regenschauer landeten der Drachenmeister und ich auf einem der Ganotei-hani, einer der Landeplätze, die es in ganz Malacar gibt und die mehr oder weniger gut in Schuss gehalten werden. Diese Streifen relativ flachen Landes werden durch Brandrodung von allen Pflanzen freigehalten und liegen an einem Fluss oder einem See, manchmal aber auch an einem der Überland-Eierpfade. Die Ganotei-hani werden von Botenfliegern benutzt, von Erste-Klasse-Bürgern, Tempelbeamten und Militärs, die auf dem Rücken von Drachen reisen. Einmal im Jahr werden die Ganotei-hani entlang der Luftwege zwischen den Brutstätten und der Arena von den Trossen aus Bayen, Drachenjüngern und Schülern der Drachenmeister bevölkert. Sie alle begleiten die Bullen zur Arena und wieder zurück.
Überflüssig zu erwähnen, dass wir nicht auf einem Ganotei-hani landeten, der an einer besonders belebten Route lag. Der Landeplatz war seit mindestes einem Jahr nicht mehr mit Feuer gerodet worden, daher landeten wir in einem Dickicht aus Farnen und Feuerkraut. Zwischen den alten, rußigen Baumstümpfen wuchsen Flechten und Moos. Während der Regen auf uns herunterprasselte, tränkte ich unsere Escoas an dem schlammigen Teich. Vorsichtig watete ich zwischen den Mangrovenwurzeln und den dicken Wasserschlingpflanzen umher. Anschließend half ich dem Drachenmeister, einen behelfsmäßigen Schutz gegen den Regen aus Farnwedeln und Zweigen zu errichten.
Vollkommen durchnässt, knabberten wir an harten Streifen mit Essig getrockneten Fischs und kauten auf harten Stücken von Slii-Früchten herum, während der Regen unser primitives Schutzdach durchdrang und den Boden unter uns in Schlamm verwandelte. Wir redeten kein Wort miteinander, schliefen unruhig und schlecht und wachten im frühen Morgengrauen auf.
Am nächsten Tag flogen wir lange und machten, mit Rücksicht auf unsere Escoas, zweimal Rast.
Am späten Nachmittag sah ich zum ersten Mal den Ozean, ein graues Band, das in der Ferne schimmerte. Es wurde immer höher, wie eine Mauer, bis es schließlich die Wolken berührte. Ich war entsetzt von der Vorstellung, dass sich Wasser so auftürmen konnte, bis mir schamerfüllt klar wurde, dass es nicht senkrecht stand, sondern sich bis zum Horizont erstreckte.
Ich erschauerte und packte die Haltegriffe fester. Während wir uns dem Ozean näherten, veränderte sich die Landschaft unter uns; Ackerland, Weinberge und Dörfer glitten unter uns vorbei. Wir flogen über einen bis auf den letzten Baum gerodeten Berg mit zwei Gipfeln, und dahinter sahen wir plötzlich die Bucht von Lireh vor uns, eine ausgedehnte Ansammlung von Karawansereien, Tavernen, Fabriken und Lagerhäusern, Schmieden und Häfen und Tempeln
Weitere Kostenlose Bücher