Das Gift der Drachen Drachen3
Gefängnisses abgespielt hat.«
»Dir ist das alles bekannt, ja?«, erwiderte sie hochmütig. »Welch ausgezeichnete Beziehungen du geknüpft hast.«
Ich errötete. »So gut sind sie nicht, sonst wäre ich wohl kaum hier.«
»Gut, dass dir das eingefallen ist. Was mich angeht … sagen wir einfach, ich habe es mir zum Zeitvertreib gemacht, gut informiert zu sein. Dem Tempel sei Dank, dass er diese Neugier in mir geweckt hat.«
Die Dienstmagd schob einen Schlüssel in das Schloss einer Tür vor uns, stieß sie auf und glitt hinein. Jotan blieb vor der offenen Tür stehen und drehte sich zu mir um. »Du wirst dich umziehen und etwas essen wollen, bevor wir reden. Ich nehme an, dieses Gespräch kann nicht bis morgen warten?«
Als wir zusammen eingekerkert waren, hatten ihre Krankheit, mangelndes Sonnenlicht und der überhöhte Konsum von Drachengift ihre Haut blass und teigig gemacht; jetzt schimmerte sie gesund und braun, und ich sah, dass sie zwar etwas vom Blut des Imperators in sich hatte, aber mehr von der Archipel-Insel Lud y Auk. Sie war keine Fa-pim, keine Ludu Bayen, keine Großgrundbesitzerin.
Ihre Lippen waren voller und röter, als ich sie in Erinnerung hatte, und ihre Augen, so schwarz wie das Fell eines Panthers, entflammten mich und zogen mich in ihren Bann, obwohl das Weiße von blutigen Äderchen durchzogen und die Iriden mit kleinen weißen Flecken gesprenkelt waren. Oder vielleicht auch gerade wegen dieser Spuren des Giftes.
Ich erinnerte mich daran, wie sie in der Viagand in unserem Kerker auf einem Diwan gelegen hatte, ein Bein träge auf dem Boden, entblößt bis zum Oberschenkel, einen Arm auf die Kissen hinter ihrem Kopf gelegt, und wie ihr nahezu durchsichtiges Gewand ihr von der Schulter rutschte.
Und ich dachte auch daran, wie wir beide brutal und regelmäßig in diesem Kerker vergewaltigt worden waren, wie unsere geschundenen, gebrochenen Gliedmaßen schwer wurden vor Mattigkeit, wie unser Wille in einem Meer aus Passivität versank. Dass ich sie jetzt als gesunde, selbstbewusste Frau vor mir sah, brachte erschreckende Erinnerungen an das zurück, was wir erlitten hatten.
Ich merkte, dass sie mich ebenfalls musterte, dass auch sie mit denselben Emotionen kämpfte und die Frau vor sich mit den Erinnerungen an die Zarq in Einklang zu bringen versuchte, die sie im Gefängnis kennengelernt hatte.
»Zarq?«, drängte sie. »Kann das Gespräch bis morgen warten?«
»Wie?« Roch ich da etwa Drachengift an ihr? »Nein. Nein, wir sollten noch heute Abend miteinander sprechen. Ich muss so rasch wie möglich zurückkehren.«
Neben mir stieß der Drachenmeister ein tiefes, kehliges Knurren aus. »Wir können später essen. Reden wir jetzt.«
»Dann sprecht mit den Wänden«, erwiderte Jotan und sah ihn an. »Ich für meinen Teil werde zuerst baden und mich umziehen.«
Ein Feuer loderte knisternd in dem Raum vor uns. Kerzen waren angezündet worden. Die Dienstmagd war aus dem Gemach getreten und stand unterwürfig und mit gesenktem Blick neben Jotan. Bestürzt bemerkte ich, dass es eine Djimbi war. Ob es irgendeinen Djimbi in Lireh gab, der einen angesehenen Posten innehatte oder gar ein Haus besaß?
»Hier entlang«, sagte Jotan zum Komikon. »Ich führe Euch in Euer Quartier.«
Ich betrat den Raum und schloss die Tür hinter mir. Dann blieb ich stehen und bestaunte die prachtvolle Einrichtung.
Den Mittelpunkt des Gemachs bildete ein schweres Bett. Auf geschnitzten Drachenfüßen stehend, erhob es sich über dem gefliesten Boden, dicke Decken und etliche Kissen lagen darauf; es war ein Meisterwerk der Drechslerkunst. Das Kopfende bildeten zwei Drachen mit geschwungenen Hälsen und aufgerissenen Mäulern, gefletschten Zähnen und miteinander verschlungen Zungen. Die Kinnlappen des einen Drachen waren wie aufgeblasen und wirkten so prall und glatt wie Brüste, unter dem schuppigen Bauch des anderen ragte ein gegabelter Phallus hervor, der in die menschenähnliche Vulva des anderen eindrang. Zwei lange Schwänze aus Teakholz bildeten die Seitenteile des Bettes und vereinigten sich am Fußende, das aussah wie zwei rautenförmige Schwanzmembranen, nur viel größer. Die Art, wie sich die beiden aneinanderschmiegten wie die Leiber zweier Liebender, wirkte irgendwie noch provozierender als das Kopfende.
Über die Kissen hatte jemand ein gelbes Gewand drapiert. In seiner Schlichtheit war es sehr elegant und weit vornehmer als alles, was ich jemals berührt, geschweige denn getragen hatte. Ich
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