Das Gift der Drachen Drachen3
tupfte mir den Schweiß von der Stirn, brachte mir Wasser, erklärte den anderen meine Ohnmachtsanfälle und Sehstörungen als Begleiterscheinungen einer komplizierten Schwangerschaft.
Und wahrhaftig, es wuchs tatsächlich eine Art Leben in mir, das diese Ohnmachtsanfälle auslöste. Und zwar mein eigenes Leben.
Auslöser war Yimtranus Trank. Das Gebräu schwächte die magischen Fäden, die meine Mutter bei meiner Geburt um mich gesponnen hatte, und mein wahres Selbst drang langsam durch, wie Haut, die unter altem Stoff zum Vorschein kommt. Erst als Yimtranu mir vorwarf, ich würde den Trank nicht nehmen, den sie so mühsam für mich zubereitete, wurde mir klar, was hier eigentlich vor sich ging.
»Ich trinke ihn doch!«, fuhr ich sie an. »Du machst ihn nur nicht stark genug!«
»Nicht stark genug? Pah! Ich heile seit Jahrzehnten dem Gift verfallene Bayen. Mein Trank hat noch nicht ein einziges Mal versagt! Du solltest dich schon bei dem bloßen Gedanken an Drachengift erbrechen.« Sie demonstrierte es mir, indem sie würgende Geräusche von sich gab.
»Aber ich übergebe mich nicht. Du musst ihn stärker machen. Bitte! Yimtranu? Bitte!« Süchtige wissen genau, wie man bettelt.
Sie kehrte mir den Rücken zu und machte sich an ihrem qualmenden Feuerkorb zu schaffen. »Sie will ihn stärker, also kriegt sie ihn stärker. Wollen doch mal sehen, ob diese Dosis nicht ihren Schild durchbrechen kann, heho!«
Schild.
Ich hörte Gens Stimme: Es ist einer der wirksamsten Zauber, die über dir liegen. Wie ein Schutzschild, Babu! Er ist so mächtig, dass er dich daran hindert, wirklich du selbst zu sein.
In diesem Moment begriff ich, was mit mir geschah, jedes Mal, wenn ich etwas von Yimtranus Gebräu schluckte: Der Trank schwächte den Zauber, der mich umgab. Und mein Ich , das ich niemals wirklich kennengelernt hatte, brach sich Bahn.
Es war angsteinflößend. Wollte ich wirklich ich selbst sein? Würden meine vom Zauber befreiten Augen schlechter sehen können? Würden meine Reflexe langsamer werden? Würde meine Haut so dunkel und mit Flecken übersät sein wie Yimtranus oder hellgrüne Flecken haben wie Savgas?
Hatte ich den Mut, mich dem zu stellen, was ich wirklich war?
Die Alternative war, unter den heftigen Entzugserscheinungen des Giftes zu leiden. Manchmal entschied ich mich für Yimtranus Trank, an anderen Tagen zitterte ich unaufhörlich vor Lust nach dem Gift und der Zunge der Drachen.
All das hielt mich jedoch nicht davon ab, des Nachts durch die Brutstätte zu ziehen und zu lehren. Im Gegenteil, ich lehrte wegen meiner Leiden. Ich brauchte die Ablenkung, ich musste mich als etwas Wertvolles und Besonderes fühlen. Aber die Nächte veränderten sich. In der Brutstätte wimmelte es von Fremden. Roshu-Lupini Ordipti verfrachtete per Überlandkutschen die Bayen-Frauen und Kinder seiner Brutstätte nach Xxamer Zu, begleitet von Karawanen mit Getreide, Fleisch, Eisenbarren und Waffen. Er selbst flog anschließend die zehn jungen Drachenbullen, die in seinem Kokon-Lagerhaus geschlüpft waren, zu unserer Brutstätte, zusammen mit seinem eigenen Drachenbullen, dem gewaltigen Ordipti, und sämtlichen Kampfdrachen und Escoas aus seinen Stallungen. Mit diesem kühnen Schachzug weitete Roshu-Lupini Ordipti das Kriegsdrama auf die ganze Nation aus und verlegte gleichzeitig das Herz des Großen Aufstandes nach Xxamer Zu, in das schwer zugängliche Innere Malacars, wo die Dschungelberge vor der trockenen Steppe den feindlichen Bodentruppen ein ungünstiges Terrain für einen Angriff boten.
Mit den frisch Geschlüpften aus den Kokons in unserem Lagerhaus zählte Xxamer Zu jetzt fünfzehn Drachenbullen. Noch nie zuvor in der Geschichte waren so viele Bullen gleichzeitig in einer Brutstätte gewesen. Was uns auf der Stelle viele Verbündete einbrachte. Xxamer Zu quoll über von Bayen, Kriegern, Söldnern, Schülern von Drachenmeistern, Kampfdrachen und Escoas.
Es wurden Drachenschwadrone gebildet, Lufteinheiten, die aus Bayen und Drachenmeisterschülern bestand. Unsere Infanterie setzte sich zusammen aus Soldaten, Myazedo-Rebellen, Rishi und Söldnern. Tansan und Piah gesellten sich zu einer Einheit, welche das Kokon-Lagerhaus bewachte.
Eines Tages trafen wir uns zufällig, Tansan und ich. Ich holte mit einer Gruppe Rishi Lehm vom Flussufer, als sie uns mit einer leeren Urne auf dem Kopf entgegenkam, um Wasser zu holen. Savga bemerkte sie als Erste.
»Mama! Hier sind wir!«
Ich trat aus der Reihe der Rishi
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