Das Gift der Drachen Drachen3
und untätig zusehen? Nein! Wir sollten unser Land jetzt in Besitz nehmen, solange noch keine Soldaten in der Brutstätte sind!«
Der Jüngling neben ihr räusperte sich. »Es gibt Soldaten hier, Tansan. Der neue Vorsteher hat nicht alle Paras weggeschickt, die nach des Roshus Abtreten geblieben sind. Während wir hier diskutieren, wählt er unter ihnen aus und wird einige Bewaffnete in seinen Diensten behalten. Und da ist noch etwas, heho!«
Er betrachtete langsam die Zuhörer. »Der neue Vorsteher rekrutiert Soldaten aus den Reihen der Rishi.«
Der Breitbrüstige schlug sich auf den Schenkel. »He, was für eine Chance! Die Hälfte von uns sollte sich freiwillig melden. Unser Feind wird uns Waffen geben, und wir bekommen Zutritt zu der Bastion der Drachenjünger!«
Viele Versammelte stimmten ihm aufgeregt murmelnd zu. Tansan erhob ihre Stimme und übertönte sie alle. »Du redest, als hätten wir Zeit! Wo ist diese Zeit, frage ich dich? Die Treibjagd beginnt sehr bald! Wie viele Nächte müssen wir noch dieselben Worte reden, sie immer und immer wieder durchkauen wie Maht? Wir müssen jetzt handeln!«
»Und wirst du die Verantwortung für diese Entscheidung tragen?«, rief jemand. »Wenn Chinion zurückkehrt, wirst du dann vortreten und sagen: ›Ich habe das Kommando übernommen, nachdem du gegangen bist‹?«
In Tansans Augen spiegelten sich die Flammen des Lagerfeuers. »Unbedingt. Wölfe verschwenden nicht ihre ganze Zeit damit, den Mond anzuheulen. Sie jagen. Wir sind Wölfe, und jetzt ist die Zeit der Jagd gekommen.«
Einige Männer forderten Tansan auf, sich zu setzen. Andere standen selbst auf. Keau legte ihr eine Hand auf den Arm und versuchte sie auf den Boden zu ziehen. Alliak aus dem Arbiyesku stand auf und übertönte den Tumult. Er sagte, sie hätten heute Nacht eine Entscheidung gefällt, seiner Meinung nach hätte Tansan recht und sie sollten nicht mehr länger warten und …
Etwas traf mich in den Rücken. Ich landete ausgestreckt auf dem Boden, während der Schmerz in meinen Rippen brannte. Ich konnte kaum atmen. Dann trat mir jemand Staub in die Augen, und ich rollte mich instinktiv herum, um mich zu schützen. Doch im selben Moment packten mich Hände, zerrten mich grob auf die Füße und bogen meine Arme auf den Rücken. Ich holte schmerzerfüllt Luft, während ich mit Gewalt gezwungen wurde, zum Feuer zu marschieren.
Die Diskussionen der Menge erstarben schlagartig, als mein Häscher mich nach vorn stieß. Alle sahen uns an, und die Wut, die eben noch unter ihnen getobt hatte, konzentrierte sich jetzt auf mich.
»Ich habe sie da drüben gefunden!« Mein Häscher bewegte sich ruckartig hinter mir, als würde er mit dem Arm deuten. »Sie hat alles mit angehört.«
Schreie ertönten, und die von Narben entstellten Gesichter verzerrten sich vor Wut.
Der breitbrüstige junge Mann trat vor. »Wer bist du, Aosogi Via?«
Ich holte trotz der Schmerzen, die es mir bereitete, tief Luft und antwortete, so fest ich konnte: »Ich komme aus dem Arbiyesku.«
Daraufhin sahen die Versammelten Tansan an, deren Augen so schwarz wie Gift wurden. Ich hatte Mitgefühl mit ihr; es war unfair, dass man ihr allein die Schuld an meiner unerwünschten Gegenwart gab, wo doch Alliak, Keau, Piah und Myamyo vom Arbiyesku neben ihr standen. Aber selbst in Xxamer Zu, wo die patriarchalischen Sitten des Imperators durch die Isolation und die Djimbi-Gebräuche verwässert waren, schien es am einfachsten zu sein, den Frauen die Schuld zuzuschieben, während die Männer frei von jeglichen Fehlern waren.
»Ist das so, Tansan?«, blaffte der Breitbrüstige sie an. »Gehört sie zu deinem Clan?«
»Sie muss uns gefolgt sein.« Tansan würdigte mich keines Blickes.
»Warum?« Die Frage war an mich gerichtet.
Ich überlegte fieberhaft. »Ich habe gehört, wie die Kinder von den Myazedo redeten. Ich wollte mehr wissen. Ich habe Angst vor dieser Treibjagd. Ich habe Angst um die Kinder.«
Ich hatte darauf gesetzt, die Aufmerksamkeit der Anwesenden von mir ab-und wieder auf die Diskussion zu lenken, die eben noch zwischen ihnen getobt hatte. Es war eine schwache Hoffnung.
Der Breitbrüstige wandte sich erneut an Tansan. »Du warst leichtsinnig, hast zugelassen, dass du belauscht wurdest und man dir folgte. Kann man ihr vertrauen?«
Tansans Miene war eiskalt, als sie mich ansah. »Sie ist noch neu bei uns. Aber man kann sie im Auge behalten. Dafür werden wir sorgen.«
»Du kannst gleich damit anfangen, sie im Auge zu
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