Das Gift der Drachen Drachen3
Verlorenen gründen? Das hier sind unsere Felder, das ist unsere Ernte. Wir bleiben hier und kämpfen.«
Seine Worte lösten einen heftigen Streit aus. Die Leute schrien herum. Tansan hörte nur zu, während sie unter ihren dichten Wimpern die Versammlung betrachtete.
Als deutlich wurde, dass die vehemente Diskussion nicht abebben würde, stand sie auf. Sie blieb einfach stehen, sagte kein Wort, tat nichts, sondern stand nur da wie eine herrliche Statue. Einen Moment, wirklich nur einen Lidschlag lang, schien ihre Gestalt im Schatten des Feuers zu wabern, und ich sah statt ihrer einen Drachen dort stehen.
Xxeltekische Seeleute munkeln von Gestaltwandlern, von Kreaturen, die aus dem Nebel über den Meeren und dem Blut ertrunkener Seeleute bestehen. In jener Nacht glaubte ich so etwas zu sehen, ein Zeichen dunkler DjimbiMagie, eine metamorphe Kreatur, die aus dem Licht der Flammen und des Mondes und aus Djimbi-Blut geschaffen war. Aber der Moment verstrich, und erschauernd wurde mir klar, dass auch dies nur ein Symptom meines Giftentzugs gewesen war.
Allmählich sahen alle Tansan an, und die wütende Debatte verstummte. Einige Männer, etliche sogar, wirkten gereizt. Einer forderte sie auf, sich hinzusetzen.
Tansan zuckte nicht einmal mit der Wimper. Sie wartete gelassen, während der Wind über die Dächer der Hütten strich. Die Sterne über ihr glitzerten hell und kalt wie die tausend Zähne eines finsteren Grinsens.
Als sie schließlich das Wort ergriff, klang ihre Stimme so eindringlich, dass sich mir unwillkürlich die Nackenhaare sträubten. »Selbst wenn die Rishi von Xxamer Zu nichts von den Myazedo gehört hätten, wüssten sie, dass sie ihr eigenes Land besitzen müssen. Sie wissen, dass sie Hunger leiden. Die Myazedo müssen eine Situation schaffen, in welcher die Leute sich gemeinsam erheben können. Es ist unsere Pflicht, diese Situation herbeizuführen.«
»Und was genau sollen wir deiner Meinung nach tun?«, rief ein Mann verächtlich.
»Zerbrecht die Palisaden der Drachenjünger. Amputiert sämtlichen Drachen die Flügel mit Ausnahme von einem oder zweien, die wir dann in den Hügeln verbergen. Indem wir die Escoas verkrüppeln, zerstören wir die Verbindung zwischen den Heiligen Hütern und dem Tempel.«
»Du willst das ohne Chinions Wissen tun?«, schrie eine Frau. »Ohne seine Erlaubnis?«
»Chinion ist weit weg. Er kehrt noch viele Monate lang nicht zurück.«
»Er ist in einem seiner Myazedo-Lager …«
»… und weiß vielleicht nicht, dass der alte Roshu die Herrschaft über diese Brutstätte eingebüßt hat und wir jetzt einen unerprobten Lupini zum Vorsteher haben.«
Tansan hatte recht. Ghepp war unerfahren als Vorsteher und dazu auch noch ein Lupini – ein Adliger, gewiss, aber kein Roshu, kein Kriegerfürst aus der Fa-para-Armee, der von einem eigenen Regiment aus loyalen altgedienten Soldaten unterstützt wurde. Ghepps Vater dagegen war ein Roshu-Lupini gewesen, ein Bayen, der, nach Jahren der Herrschaft über seine Brutstätte, den Titel Roshu in einem erfolgreichen Scharmützel an der Grenze zu den Xelteken erworben hatte. Er hatte in diesem Gefecht mit einem Regiment von Soldaten gekämpft, die er zuvor selbst ausgebildet hatte. Sie alle waren handverlesene Bayen der Brutstätte Re gewesen.
Ghepp konnte nichts dergleichen aufweisen.
Tansan hob das Kinn. »Chinion ist nicht unfehlbar. Er hätte einen Stellvertreter zurücklassen sollen, mit dem er Kontakt hält; das hätte uns ermöglicht, auch ohne ihn handlungsfähig zu bleiben.«
Viele Männer unter den Versammelten schrien wütend auf, doch Tansan fuhr unbeirrt fort: »Aber Chinion hat uns verlassen, und der neue Lupini kann jeden Tag damit beginnen, uns zu verkaufen, um die Schulden des alten Vorstehers zu begleichen. Wir alle haben die Gerüchte gehört, die aus der Mitte der Brutstätte zu uns gedrungen sind. Die Treibjagd wird bald beginnen.«
»Geh wieder zu deinem Säugling zurück!«, schrie einer der Männer. »Und überlasse diese Angelegenheiten denen, die darüber zu befinden haben!«
Tansan fuhr zu ihm herum. »Du hast die letzten zwei Wochen nichts weiter getan, als mit deinen nutzlosen Worten um dieses Feuer herumzutanzen, während die Saison der Treibjagd näher gerückt ist. Welche Handwerkerclans dieser Brutstätte werden dieses Jahr davon betroffen sein, he? Wessen Kinder wird man fesseln und verkaufen? Deine?«
Dann wandte sie sich wieder an die Versammelten. »Wollen wir wieder nur danebenstehen
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