Das Gift der Drachen Drachen3
Ich schlang beschützend einen Arm um Savgas Taille und döste wieder ein.
Das Rumpeln von Karrenrädern und das Quietschen einer rostigen Achse weckte mich eine Weile später. In unserem Raum war es fast unerträglich stickig. Benommen vor Erschöpfung trank ich einen Schluck Wasser aus der Urne, erhob mich mühsam von der Matte und versuchte ungeschickt, die Fensterläden zu öffnen. Schließlich stieß ich sie auf. Am Himmel hingen dicke Wolken wie aus geronnener Milch. Es war feucht.
Schräg gegenüber von unserem Haus stand auf der anderen Straßenseite eine Rikscha vor einer Hütte. Der fleckbäuchige Jugendliche, der sie gezogen hatte, setzte sie ab, stützte die Hände auf die Knie und hustete sich beinah die Lunge aus dem Leib.
Zwei Bayen-Damen in bunten Bitoos stiegen aus der Rikscha. Sie hatten beide Sonnenschirme in der Hand, die sie bis zu den Schultern verdeckten. Einer hatte die grüne Farbe eines wütenden Chamäleons, der andere das dunkle Orange eines reifen Kürbisses. Die Bitoos der Frauen waren mit seidenen Fäden in passenden Farben durchwirkt, die sich vom Saum her die Bitoos emporwanden und unter den Sonnenschirmen verschwanden wie Baumranken. Die beiden Frauen gingen in die Hütte, ohne ihre Sonnenschirme zuzuklappen.
Ich wandte mich vom Fenster ab und sah zu Savga hinüber. Ihre schweißnassen Locken klebten an ihrer Stirn, ihre Wangen waren gerötet. Ihre eingefallenen Augen wirkten entzündet, selbst im Schlaf. Der Knoten ihres schmutzigen Yungshmis hatte sich im Schlaf gelöst, und das Gewand schlang sich um ihren Oberkörper wie eine Schlange, die versuchte, eine viel zu große Mahlzeit zu verschlingen.
Während wir geschlafen hatten, hatte jemand einen kleinen Berg pflaumenfarbenen Tuchs in unseren Raum geschoben. Ich bückte mich, hob den verschlissenen Stoff auf und schüttelte ihn aus. Es waren zwei Yungshmis, zerknittert und durchdrungen von dem unverkennbaren, an Muskat und Zedern erinnernden Duft von Yanew-Borke.
Ich streifte meinen schmutzigen Bitoo ab, befeuchtete die sauberste Ecke mit etwas Wasser aus der Urne und wusch mich. Dann schlang ich einen der Yungshmis um meinen Oberköper und zwischen meinen Beinen hindurch und knotete ihn auf dem Rücken fest, wie ich es bei den Frauen im Arbiyesku beobachtet hatte. Mit meinen entblößten Armen und Beinen kam ich mir halb nackt vor. Aber sauber.
Savga schreckte mit einem Ruck hoch und schlug um sich, als würde sie gegen einen unsichtbaren Angreifer kämpfen.
»Savga, schhh, leise. Ich bin ja da!« Sie starrte mich an, keuchend und zitternd. »Ich bin hier«, wiederholte ich und streckte langsam meine Arme aus. Ebenso langsam kroch sie hinein.
Sie lehnte sich an mich, ihre kleinen Rippen hoben und senkten sich angestrengt, und ich legte ihren Kopf auf meine Schulter. Ich glättete ihr Haar, das noch vom Schlaf am Hinterkopf klebte, und wiegte sie sacht. Dann wappnete ich mich gegen ihr Schluchzen.
Aber sie weinte nicht.
Es war bestürzend. Wie das Schweigen, das einem Schrei folgt, der die Luft zerrissen hat.
Voller Unbehagen sprach ich in die weiche Muschel ihres Ohrs. »Du bist hungrig, nicht wahr? Wir waschen uns ein bisschen und gehen dann nach unten, etwas essen. Hmm?«
Ich bekam keine Antwort.
Ich schob sie ein Stück von mir weg. Ihre Augen schienen wie die einer alten, kranken Frau. Ich konnte sie kaum ansehen. Vorsichtig und ein bisschen verlegen entkleidete ich sie, wusch sie und half ihr in den zweiten, mottenzerfressenen Yungshmi. Die ganze Zeit verfolgte sie mich mit ihrem Blick, betrachtete mein Gesicht mit beunruhigender Ausdauer. Aber sie sagte kein einziges Wort.
Als wir fertig waren, lächelte ich sie unsicher an. »Jetzt fühlst du dich schon etwas besser, oder?«
Wieder bekam ich keine Antwort, nicht einmal ein Achselzucken.
Ich packte ihre Schultern. »Ich habe meine Mutter auch verloren, als ich ein kleines Mädchen war. Ich weiß, wie du dich fühlst, Savga, wirklich. Und es ist auch in Ordnung, wenn du wütend auf sie bist, verstehst du? Dein Ärger wird die Liebe nicht verschwinden lassen, die du für sie empfindest. Davor brauchst du keine Angst zu haben. Diese Liebe wird dir bleiben, immer.«
Sie sah mich an. Ihr Gesicht war schlaff, die Augen aufmerksam, als würde sie auf etwas warten. Auf das Unmögliche: die Rückkehr ihrer Mutter.
»Ich trage dich nach unten«, sagte ich und ließ ihre Schultern los. Ich hob sie auf meine Hüfte, drängte mich durch die Borkenstreifen vor unserem
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