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Das Gift der Drachen Drachen3

Das Gift der Drachen Drachen3

Titel: Das Gift der Drachen Drachen3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cross
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für das Leben obsiegen.
    Ich trug sie wieder zum Haus zurück, während über uns die Wolken voller Starrsinn am Himmel hingen und der Donner über die graue Steppe rollte. Ich sehnte mich nach dem Wind der letzten Nacht, danach, dass der gnadenlose Druck dort oben endlich siegte, dass es donnerte, blitzte und der Monsunregen einsetzte. Ich sehnte mich danach, dass Savgas unbarmherziger Blick endlich mein Gesicht losließ. Ich sehnte mich danach, dass sie endlich sprach.
    In dem Haus kochte Yimtranu eine lilienweiße Flüssigkeit über einem rußgeschwärzten Feuerkorb.
    »Das hier ist ein Schwanzstärker«, knurrte sie verbittert. »Für Bayen-Männer.«
    Sie deutete mit dem Kinn auf das stickige Innere des Hauses. »Da ist etwas für Euch gekommen. Ein kahlköpfiger Djimbi hat es vor einer Weile gebracht, vermutlich ein Geschenk von Eurem Sissu.«
    Sissu: ein lohnender Freier. Sie meinte den Wai Vaneshor, Gen.
    »Der Wai Vaneshor ist nicht mein Freier«, erwiderte ich scharf. Sie sah mich listig an. Sie hatte mich testen wollen, überprüfen wollen, ob das, was ich ihr erzählt hatte, nämlich dass ich keine Ebani war, stimmte.
    »Ihr werdet nicht lange hier bleiben, wenn er es ist, Aosogi Via.« Sie lachte keckernd. »In diesem Haus gibt es kein Ficki-Ficki, oh nein. Wai Vaneshor oder nicht.«
    Ihr Stolz ärgerte mich und war doch auch bewundernswert.
    Mit Savga auf der Hüfte ging ich um sie herum und stieg die Treppe zu unserer winzigen, stickigen Kammer hinauf. Meine Rippen schmerzten, und mein Rücken drohte fast unter Savgas Gewicht zu brechen. Ich setzte das stumme Kind auf den Boden. Seine geschwollenen Augen bohrten sich in meine. Ich bemerkte, dass Savgas Lippen spröde und gerissen waren.
    »Trink etwas, Savga«, befahl ich. »Du hast den ganzen Tag noch kein Wasser getrunken!«
    Sie rührte sich nicht und schwieg, ohne dass ihr Blick auch nur eine Sekunde von mir gewichen wäre. Ich hockte mich hin und hob die Urne an ihre Lippen.
    »Du kannst dich nicht einfach zu Tode hungern. Das bringt dir deine Mutter nicht zurück. Trink.« Ich neigte den Krug. Sie sah mich starr an, während das Wasser ihr nutzlos über die geschlossenen Lippen, das Kinn und den Hals lief.
    Wut und Frustration brannten in meinen Eingeweiden. Am liebsten hätte ich sie geschüttelt und geschrien: Das Leben ist nicht dazu verpflichtet, uns zu geben, was wir uns wünschen, Mädchen! Also ertrage das Unerträgliche, gib dich ohne das Unverzichtbare zufrieden, und wehre dich! Kämpfe, Savga, kämpfe!
    Aber das sagte ich nicht. Sie war zu jung, und die Wahrheit dieser Worte war für sie viel zu hart. Vielleicht kämpfte Savga ja auch auf ihre eigene Art. Sie benutzte die Methode des Twembesai gon-fawen, des sanften Widerstandes, um die Realität ihrer Lage zu leugnen.
    Ich wandte mich von ihr ab und rollte die neue Schlafmatte aus, die Gen vorbeigebracht hatte. Darin fanden sich Nadel und Faden sowie ein neuer Yungshmi.
    Verdammt sollte Gen sein! Ich hatte ihm doch gesagt, dass ich nicht wollte, dass sich Savga von den gleichaltrigen Kindern hier unterschied. Ich schob den neuen Yungshmi wütend zur Seite.
    Das zusammengerollte Kleidungsstück landete mit einem Rums an der Wand.
    Ich betrachtete es einen Moment, zog es zu mir und entrollte den Stoff. Darin befand sich eine Bambushülle, die von Alter und Bienenwachs gelblich glänzte. Sie war so hart wie ein Knochen. Ich drehte sie um und las die Hieroglyphen, die in das alte Holz eingeritzt waren. Sut-cha ki Tagu Nayone Xxamer Zu. Sechzigste Ausgabe des Verzeichnisses von Xxamer Zu.
    Der Korkstöpsel war bröckelig. Trockene Stückchen fielen zu Boden, als ich die Hülle öffnete. Ein muffiger Geruch nach altem Pergament waberte heraus, versetzt mit einem schwachen Hauch Weihrauch. In der Bambushülle befand sich eine dicke, mehrschichtige Schriftrolle. Es gelang mir nur mit Mühe, sie aus der Hülle herauszuziehen.
    Dann schälte ich das oberste Blatt herunter, so wie ich die Außenhaut einer Zwiebel abgeschält hätte. Es war neu und ganz frisch. Die Tinte war schwarz und duftete nach Parfüm. Ich brauchte eine Weile, bis ich die Schriftzeichen entziffern konnte, die auf der oberen rechten Ecke standen. Census-Annalen. Ich blickte auf die drei Reihen von Hieroglyphen, die in einer präzisen, schrägen Handschrift unter dem Titel standen.
    Namen. Es waren ausnahmslos Namen.
    Ich schälte sorgfältig ein zweites Blatt herunter, das ebenfalls neu, aber nicht ganz so steif war, als

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