Das Gift der Drachen Drachen3
kehrte uns dann den Rücken zu. Sie war zu beschäftigt, um sich mit einem Streit aufzuhalten.
»Bleib dicht bei mir, Savga«, zischte ich, während wir uns durch das Getümmel wanden und die feuchte Treppe hinab in das hell erleuchtete Haus gingen. Savga umklammerte mit einer Hand meinen Bitoo, während sie mir folgte.
Ich vermutete, dass die Schlafgemächer im Obergeschoss des Hauses lagen. In meiner Jugend hatten einige der anzüglichen Lieder, die die Frauen des Danku Re bei ihrer Arbeit in der Töpferwerkstatt gesungen hatten, von solchen Bayen-Feiern gehandelt. Wir Kinder spielten später das skandalöse Benehmen der betrunkenen Reichen nach und verwandelten in unserer Phantasie unsere geheimen Verstecke auf dem Töpfergelände in die Bettkammern der Aristokraten.
Sollte man hier nun gegen das Gesetz verstoßen und Gift nehmen, würde ich es oben finden, neben den Betten in den Privatgemächern.
Im Haus gab es noch eine Küche, in der sich Rishi drängten. Töpfe klapperten, Rauch lag in der Luft, und durch die allgemeine Kakophonie hallten gebrüllte Befehle. Ich hielt die Platte hoch über meinen Kopf, drängte mich durch das Gewimmel und folgte einer der weiß gekleideten Senemeis, die ebenfalls eine mit Speisen beladene Platte trug. Ohne es zu wissen, führte sie mich durch das Chaos der Küche zu einer Treppe. Wir stiegen hinauf, an die Wand gedrückt, um einem Strom von weiß gekleideten jungen Frauen Platz zu machen, die mit leeren Platten herunterkamen.
Oben an der Treppe standen zwei große, muskulöse Rishi-Männer Wache. Sie trugen lächerlich wirkende rote Turbane und dazu passende Lendenschurze. Sie hatten sich rechts und links neben der Treppe aufgebaut, die Arme verschränkt, die dicken Beine gespreizt, die Rücken uns zugewandt. Ich ging weiter.
Am oberen Ende der Treppe blieb ich stehen und trat hinaus in das Licht und die Hitze hunderter Kerzen, die in einem gläsernen Leuchter brannten, der von der gewölbten Decke herabhing. Bayen beiderlei Geschlechts tummelten sich in eleganten Roben unter diesem gewaltigen Leuchter, während Rishi-Kinder in winzigen eisernen Käfigen, die ebenfalls von der Decke herunterhingen, mit großen Federfächern den Aristokraten, die sich unter ihnen ergingen, Luft zufächerten.
Eine fleischige Hand packte meinen Oberarm und hielt mich fest.
»Kein Zutritt!«, sagte einer der hünenhaften Djimbi, die die Treppe bewachten. Seine Miene war von unerbittlicher Gleichgültigkeit, als er mich ansah. In seiner Unterlippe trug er einen goldenen Ring.
Hochmütig hob ich den Kopf und wiederholte die Lüge, die ich der Djimbi in der Küche aufgetischt hatte.
Die schwarzen Augen des Wächters blieben starr. »Kein Zutritt.«
»Du weißt wohl nicht, wem du da den Zutritt verwehrst«, erwiderte ich eisig. »Ich bin die Wai-Ebani des Wai Vaneshor. Er hat mich, dieses Mädchen und diese Speise zu sich bestellt, und er erwartet …«
»Kein Zutritt.«
Innerlich bebte ich. Aber von dem Wissen getrieben, dass ich einer Quelle des Giftes nah war, so nah, machte ich weiter.
»Du kannst mir den Zutritt nicht verbieten!« Ich erhob meine Stimme. Die weißgekleideten Djimbi-Frauen warfen mir verstohlene Seitenblicke zu, ehe sie hinter mir die Treppe hinabstiegen. Und auch ein Bayen und seine Begleiterin drehten sich um und blickten stirnrunzelnd zu uns hinüber.
Der Muskelberg, der mich immer noch erbarmungslos festhielt, wandte sich um und beugte seinen Stiernacken zu einem sehr jungen Rishi-Mädchen hinab, das nicht älter als acht Jahre sein konnte und an der Seite der Treppe saß. Es war ebenfalls in Weiß gekleidet und trug einen furchtsamen Ausdruck auf dem Gesicht.
Er blaffte ihr etwas zu. Sie sprang auf und rannte geschickt durch das Gewühl der Aristokraten.
Wenn Drachenjünger Gen nicht anwesend war – und es gab keinen Grund anzunehmen, dass er hier war -, würde mir nicht nur der Zugang zu dem Haus und damit zu dem Gift verwehrt, das in diesen vornehmen Wänden versteckt war, sondern ich würde wegen meiner Lüge und meines Eindringens hart bestraft werden.
So wie auch Savga, die hinter mir stand.
Als wäre eine Glasscheibe, die mich bis jetzt umgeben hatte, zerplatzt, erkannte ich zum ersten Mal an diesem Abend das Ausmaß meines Wahnsinns.
Ich drehte mich zu Savga um. Lauf , befahl ich ihr lautlos.
Ihr Griff um meinen Bitoo verstärkte sich, und sie schob trotzig die Unterlippe vor, während ihr die Angst deutlich anzusehen war. Dennoch schüttelte sie
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