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Das Gift der Engel

Das Gift der Engel

Titel: Das Gift der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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Fenster mit Spitzbögen. Graubraunes Mauerwerk. Das Ganze umgeben von dunklen Nadelbäumen. Wie auf Kommando flog hinter der Kirche, die drohend auf sie herabzusehen schien, ein Schwarm Rabenkrähen in den Himmel auf.
    »Wir sind auf dem richtigen Weg«, sagte Alban. »Romantik und Religion – das war die Mischung, die Dagmar Dennekamp fasziniert hat. Und ich habe so eine Ahnung, was die nächste Etappe sein könnte.«
    »Tatsächlich?«
    »Ich bin hier schon einmal gewesen. Es ist allerdings lange her.«
    »Bist du schon mal auf den Spuren einer religiösen Frau gewandelt?«
    »So ähnlich.«
    Alban wollte nicht darüber sprechen, dass er schon wieder auf eine Parallele zwischen Dagmar Dennekamp und Lea gestoßen war. Man hätte fast den Eindruck haben können, dass sie sich gekannt hatten. Die Erkenntnis traf ihn wie ein Blitzschlag. Natürlich! Vielleicht war das ja sogar der Fall gewesen! Es war zumindest nicht ausgeschlossen. Vielleicht hatte Dagmar Dennekamp Leas CD nach einem Konzert gekauft. Immer wenn Lea Klavierabende gab, war die CD angeboten worden.
    Endlich kamen sie an der Kirche an. Sie stand groß, mächtig und düster vor ihnen. Simone ging auf die wuchtige Pforte zu und drückte die Klinke herunter. »Abgeschlossen.«
    »Das macht nichts.«
    Sie sah ihn überrascht an. Nirgendwo in ihrem Gesicht war auch nur ein einziger Schweißtropfen zu sehen. »Wieso? Ich dachte, wir suchen jetzt einen Heiligen oder einen Prediger? Gibt’s davon nicht Bilder in einer Kirche?«
    »Der Prediger ist woanders.« Immer noch außer Atem, überquerte Alban langsam den kleinen Platz. Simone folgte und sah sich neugierig um. Neben der Kirche lag ein kleines eingezäuntes Areal. Schmiedeeiserne Pfähle zeigten spitz nach oben. Hinter dem verschlossenen Tor führte eine breite Treppe in die Tiefe bis zu einer großen hölzernen Tür. Simone blickte hinunter. »Ist das eine Gruft?«, fragte sie.
    Alban deutete auf einen Stein, der im hinteren Bereich hervorragte. »Da steht es.«
    Sie gingen näher heran. Eine Inschrift verkündete: »Ruhestätte der Gräflichen Familie von Fürstenberg-Stammheim«.
    »Man fühlt sich wie in eine alte Zeit zurückversetzt«, sagte Simone.
    Alban nickte. So ähnlich hatte es Lea auch ausgedrückt, als sie damals hier gewesen waren. Lea war der Ansicht gewesen, dass die Szenerie perfekt zu der Musik passte, die sie so gern spielte. Und es war hier gewesen, wo sie zum ersten Mal den Plan gefasst hatte, eine Aufnahme mit romantischer Klaviermusik zu machen. Die Bilder, die nach und nach vor Albans geistigem Auge auftauchten und die er so lange verdrängt hatte, wurden immer deutlicher, als würde sich eine Nebelbank auflösen. Und je klarer das Bild wurde, desto schmerzhafter wurde es.
    »Nikolaus, was hast du?«
    Lea, die in Albans Vorstellung eben noch hier gestanden hatte, verschwand. Simone sah ihn verwirrt an. »Du bist auf einmal so abwesend.«
    »Ich habe nachgedacht. Was hast du gesagt?«
    »Ich hatte dich gefragt, was das für eine gräfliche Familie ist, die hier begraben liegt.«
    Alban atmete tief durch und konzentrierte sich auf die Fakten, die er irgendwann einmal nachgelesen hatte.
    »Diese Grafen haben die Kirche gebaut. Ich glaube, Mitte des 19. Jahrhunderts.«
    »Dann ist sie nicht aus dem Mittelalter?«, wunderte sich Simone.
    »Nein. Den Stil dieser Kirche nennt man Neogotik. Nachgemachtes Mittelalter. Es hat hier aber früher mal eine Kirche gegeben. Und ich glaube, in der Antike einen Tempel. Jedenfalls ist die Anlage, so wie sie ist, diesen Grafen zu verdanken. Darüber hinaus ist das hier auch eine Pilgerstätte. Sie ist dem heiligen Franziskus gewidmet.«
    Alban musste sich einen Moment orientieren, dann führte er Simone an eine steile Treppe. Eiserne Geländer links und rechts boten Halt. Trotzdem war nicht zu übersehen, dass es äußerst anstrengend sein würde, die Steigung zu erklimmen.
    »Da müssen wir rauf«, sagte er.
    »Ist da oben der Rest des Kreuzweges?«
    »Der Kreuzweg war an der Kirche zu Ende. Das hier ist Dagmars persönliche Fortsetzung.«
    Er riss sich zusammen und machte sich an den Aufstieg. Simone hielt ohne sichtbare Anstrengung mit. Die Treppe führte um eine Kurve in den Wald. Kurz darauf standen sie einer riesigen Steinstatue gegenüber. Es war ein bärtiger Mann in Mönchskutte, der sie mit der erhobenen rechten Hand zu grüßen schien. Efeu wuchs an der Figur empor und bedeckte fast vollständig die Inschrift, die in das Podest

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