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Das Gift der Engel

Das Gift der Engel

Titel: Das Gift der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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gemeißelt war. Trotzdem war noch lesbar, dass es sich um den heiligen Franziskus handelte.
    Alban ließ sich auf einer der Bänke nieder, die vor dem Denkmal standen. »Da haben wir nun unseren Prediger«, sagte er keuchend.
    »Wow«, entfuhr es Simone.
    »Die Wanderung, die Dagmar Dennekamp in dem Gedicht beschreibt, ist noch nicht zu Ende. Wir müssen dem Weg weiter folgen. Lass mich aber erst mal zu Atem kommen.«
    Sie gingen durch herbstlichen Mischwald über eine Schicht aus gelben und braunen Blättern. Der Weg war zum Glück nicht mehr so steil.
    »Sieh mal, dahinten«, sagte Simone plötzlich.
    Kurz darauf kamen sie an einer Straße heraus. Sie standen mitten in einer scharfen Kurve. Alban wunderte sich. War Dagmar Dennekamp an einer so unromantischen Autostraße entlanggewandert? Hatten sie eine Abzweigung im Wald übersehen?
    »Halten wir uns bergauf«, schlug er vor. »Lass uns einfach ein Stück gehen, um uns zu orientieren.«
    Der Weg durch die Kurve war weiter, als Alban vermutet hatte. Ab und zu brauste ein Wagen vorbei, und sie mussten sich an den Straßenrand drängen. Dort häufte sich Müll: Getränkedosen, Plastikverpackungen, Papier.
    »Dahinten stehen Autos«, sagte er nach einer Weile.
    Neben der Straße lag ein Parkplatz aus platt gewalztem Schotter. Weiter hinten war ein Gebäude zu erkennen.
    »Schau mal«, sagte Simone, als sie angekommen waren. Sie deutete auf einen rot getünchten Bildstock, der ein Stück von der Straße entfernt stand. Unter einem kleinen schrägen Giebeldach stand eine Marienfigur. Zu ihren Füßen brannte ein ewiges Licht. »Heilige Maria, bitte für uns« stand darunter.
    »Ich schätze, wir haben gefunden, was wir gesucht haben«, sagte Simone. »Was könnte Maria bewachen? Vielleicht das Haus dahinten? Ob dort Dagmar Dennekamps Geliebter wohnt?«
    Alban blickte zu dem Gebäude. »Das ist das sogenannte Waldschlösschen. Ich glaube, das war früher mal ein Gasthaus.«
    »Sieht aber nicht wie ein Schlösschen aus«, fand Simone, als sie näher gekommen waren. »Eher wie ein kleiner Bauernhof im Wald.«
    Es gab ein Hauptgebäude an der Straße und ein paar niedrige Bauten – wahrscheinlich Ställe. Auf einer kleinen Weide standen zwei Pferde, ein braunes und ein braun-weiß geschecktes.
    Simone wies auf ein Transparent, das am Zaun angebracht war. »Wellness und Kosmetik«, las sie vor. »Das Waldschlösschen ist eine Beautyfarm.«
    Alban ging zum Eingang und klingelte. Niemand öffnete. »Auch hier ist Sonntag«, stellte er fest.
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Dagmar Dennekamp dieses Haus gemeint hat«, sagte Simone. »Sie hätte dafür doch sicher irgendeine Bezeichnung gefunden, die in das Gedicht eingeflossen wäre.«
    Sie sahen sich auf dem Parkplatz um. Hier stand die gleiche Wanderkarte, die sie schon unten am Rhein gesehen hatten. »Meine Güte, wir sind ja wirklich dumm«, sagte Alban plötzlich.
    »Wieso? Sind wir falsch?«
    »Im Gegenteil. Was das Marienbild dahinten bewacht, ist völlig offensichtlich.« Er deutete auf eine geschlängelte weiße Linie. »Das ist die Straße, die von Remagen hier heraufführt und an der wir ein Stück entlanggelaufen sind. Hier ist die Kurve, siehst du?«
    »Und?«
    »Dann kommt hier ein kleines Kreuz. Das ist das Marienbild. Das Waldschlösschen liegt ein Stück weiter.« Alban hielt den Finger darauf. Die Gebäude waren als kleine schwarze Rechtecke eingetragen. »Jetzt schau dir mal das Gebiet nördlich von hier an. Da ist nur noch Wald. Alles grün. Nur ein paar schwarze Linien dazwischen, die Wanderwege darstellen. Wenn man gleich hinter dem Heiligenbild in den Wald geht, gelangt man schnurstracks in diese Region hinein.«
    »Worauf willst du hinaus?«
    »Schau mal, was hier eingetragen ist.«
    Alban deutete auf den Schriftzug, und es war Simones Miene deutlich anzumerken, dass ihr dämmerte, worum es ging.
    »Dagmar Dennekamp«, sagte Alban, »beschrieb ihren Geliebten in dem Gedicht mit den Worten ›… bist verdammt, die Poesie im Verborgnen, im Tal der Tauben, zu leben …‹ Ich hatte mir vorgestellt, sie meint mit dem ›Tal der Tauben‹ einen Ort mit Menschen, die nichts von Poesie verstehen, die sozusagen taub dafür sind. Es ist aber ganz anders gemeint.«
    »Tatsächlich«, sagte Simone verblüfft und starrte auf die Karte. »Du hast recht. Da steht ›Taubental‹.«
    Alban nahm noch einmal den Plan ins Visier und versuchte sich einzuprägen, wie sie gehen mussten. Dann folgten sie dem

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