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Das Gift der Engel

Das Gift der Engel

Titel: Das Gift der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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doch dann traten sie auf einen kleinen runden Platz hinaus, der mit Kies bedeckt war. Die Mauer endete in einem eckigen hohen Pfeiler. Daneben erhob sich ein riesiges zweiflügliges Tor, dessen geschwungene Stäbe an vielen Stellen verrostet waren. Die Zufahrt verlor sich zwischen Bäumen. Das Haus war von hier nicht mehr zu sehen.
    »Da kam er unerwartet an ein Tor von Eisengittern, zwischen dessen zierlich vergoldeten Stäben hindurch man in einen weiten prächtigen Lustgarten hineinsehen konnte« , sagte Alban. Rätselhaft, dass ich plötzlich von diesen Zitaten überschüttet werde, dachte er.
    »Was war das denn?«, fragte Simone. »Dichtest du jetzt auch?«
    »Das war eine Stelle aus dem ›Marmorbild‹. Ob dieses Anwesen etwas mit Dagmar Dennekamp zu tun hat?«
    »Du meinst, darin wohnt die unheimliche Schöne, die in Wirklichkeit eine alte heidnische Göttin ist?« Simone schüttelte den Kopf. Auf dem Weg, der von dem Vorplatz talwärts führte, waren Reifenspuren zu erkennen. »Glaubst du, die Göttin fährt Auto?«
    Alban trat einen Schritt vor. »Das Tor war nicht verschlossen, er öffnete es leise und trat hinein« , zitierte er und drückte gegen die Metallstäbe. »Leider ist es hier anders. Und eine Klingel gibt es auch nicht. Geschweige denn einen Namen.«
    »Nur ein Wappen«, sagte Simone und deutete nach oben, wo sich die beiden Torflügel trafen.
    Alban kniff die Augen zusammen. »Ich glaube, das sollen zwei Türme sein. Und dazwischen ein Karo. Lass uns noch mal zu dem Loch in der Mauer gehen. Vielleicht ist ja doch was Interessantes zu sehen.«
    Sie schoben sich wieder an den Natursteinen entlang, bis sie an die Lücke kamen. Das Gebäude lag genauso still und stumm da wie vorher.
    »Nichts«, sagte Alban.
    Simone lehnte sich an die Mauer. Die Blätter des Efeus raschelten. »Das ist schon ein komischer Trip hier. Diese lange Lauferei, dann dieser Eichendorff-Kram, diese Gruselgeschichte von der Marmorstatue. Der verschwundene Wanderer. Und jetzt ein altes, unbewohntes Haus. Dunkel wird es auch langsam. Lass uns gehen. Die Fähre geht nur bis Viertel vor sieben. Wir haben nur noch eine Dreiviertelstunde, um an den Anlegeplatz zu kommen.«
    »Es war ein Versuch«, sagte Alban. »Morgen kümmern wir uns um was Handfesteres.«
    »Nämlich?«
    »Wir besuchen das Amadeus-Studio in Köln. Und ich versuche herauszufinden, wem das Haus hier gehört.«

     
    Etwas ist geschehen.
    Der Junge stand am Fenster und ließ die Zeit vorüberziehen. Die langsamen Atemzüge der Natur. Die Veränderungen der Schatten auf der Mauer. Er war völlig aufgehoben in seiner Welt, in seinem Versunkensein.
    Und dann bewegte sich da draußen plötzlich etwas. Das war nicht das langsame Vorbeiziehen des Tages.
    Ist sie zurückgekommen?
    Der Junge wendet sich vom Fenster ab und läuft nervös durch das Zimmer. Schließlich wagt er es wieder hinauszusehen. Alles ist still und starr.
    Wenn sie es gewesen ist! Wenn sie zu ihm wollte! Sein Herz rast.
    Er blickt nach draußen und wartet auf eine weitere Bewegung. Schließlich lässt er sich auf das Bett fallen, und der Schmerz stürmt auf ihn ein. Sie ist fort. Für immer und ewig. Zum zweiten Mal.
    Lange liegt der Junge da.
    Es muss etwas geschehen. Er muss selbst etwas geschehen lassen. Er allein.
    Der Junge geht wieder zurück zum Fenster. Da draußen liegt sie, die Welt, die so lange vor ihm verborgen war.
    So lange.
    Aber bald nicht mehr.

17
    Am nächsten Morgen stiegen sie um Viertel vor neun ins Auto. Sie waren gerade von der Beethovenallee in die Plittersdorfer Straße abgebogen, da klatschten Regentropfen gegen die Scheibe.
    »Sehr gut«, sagte Simone. »Der beste Grund, die Gartenarbeit heute ausfallen zu lassen.«
    Alban nickte geistesabwesend. Die Nacht war wieder mal wenig erholsam gewesen. Skurrile Träume hatten ihn verfolgt – von Lea, die in einem roten Kleid im Schatten der spitzen Türme der Apollinariskirche vor irgendetwas floh. Alban hatte versucht, sie einzuholen, und war dabei viele Kilometer durch ein menschenleeres Rheintal gelaufen, bis ihm alle Glieder schmerzten. Als er aufwachte, wurde ihm klar, dass der Schmerz real war. Ein grässliches Stechen in den Oberschenkeln. Ein ausgewachsener Muskelkater.
    Um kurz nach acht hatte er versucht, bei der Remagener Stadtverwaltung etwas über das einsame Haus zu erfahren. Ohne Erfolg. Er hatte den Eindruck gehabt, die Beamten verstanden gar nicht, von welchem Anwesen er sprach.
    Der Regen prasselte, als sie in

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