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Das Gift der Engel

Das Gift der Engel

Titel: Das Gift der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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sich eine Batterie Flaschen drängte.
    Zurück am Eingang, klopfte er wieder. Plötzlich wurde hinter dem Glas eine Bewegung sichtbar, und ein Mann mit wuscheligen dunklen Haaren und einem grauen Vollbart öffnete die Tür.
    »Wir haben geöffnet. Treten Sie ruhig näher.« Neonröhren flammten auf. »Ich hatte noch oben zu tun.«
    Alban betrat den Laden und stand sofort in einem wilden Durcheinander: mit Büchern vollgestopfte Regale, Kisten, aus denen bedrucktes Papier quoll, lose Stapel der verschiedensten Druckwerke. Es roch muffig und feucht.
    Das ist kein Antiquariat, dachte er, das ist eine Müllhalde. Wer hier Bücher kauft, tut es aus Mitleid, um sie vor dem Tod durch Schimmel und Fäulnis zu bewahren.
    Er überflog ein paar der Kisten, während der Mann, der wahrscheinlich Dennekamp war, regungslos an einem kleinen Schreibtisch in der Ecke stand und ihn beobachtete. Der Tisch schien jeden Moment unter der Last eines gigantischen Zeitschriftenstapels zusammenzubrechen.
    Alban umrundete ein paar Bücherhaufen, die wie eine Fuhre Briketts auf dem dreckigen Betonboden lagen. Etwas hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Es war ein schmaler Karton mit Taschenpartituren. Gelbe Eulenburgausgaben.
    Alban sah die kleinen Bände durch. Eine paar Mozart-Sinfonien. Vivaldis »Vier Jahreszeiten«. Beethovens Dritte.
    »Interessieren Sie sich speziell für Musik?«
    »Unter anderem. Haben Sie außer diesen Noten noch weitere?«
    Der Mann schob sich an einem Tisch vorbei zu einem Regal. »Möchten Sie Partituren oder Noten für ein bestimmtes Instrument?«
    Er griff in eines der Fächer und hielt Alban einen Stapel Hefte hin. Seine Bewegungen brachten die abgestandene Luft in Wallung, und Alban roch deutlich eine Alkoholfahne, die aus dem Geruchsgemisch aus Staub, altem Papier und Dreck hervorstach.
    Es waren weitere Partituren und ein paar alte Hefte mit Klaviermusik, allesamt abgegriffen und mit Eintragungen versehen.
    »Haben Sie auch handgeschriebene Noten?«, fragte Alban.
    »Manuskripte?« Der Antiquar schüttelte den Kopf. »Manchmal taucht so was in Nachlässen auf, aber man kann das meistens nicht verkaufen.«
    »Sagt Ihnen das hier etwas?« Alban legte den Papierstapel zur Seite und zog die Partitur aus der Tasche. Der Mann machte keine Anstalten, sie in die Hand zu nehmen, und schüttelte den Kopf.
    »Kein Interesse.« Er verzog den Mund zu einem gequälten Lächeln. »Ich wäre froh, wenn ich erst mal was von den Sachen hier loswerden könnte.«
    »Ich wollte eigentlich nur wissen, ob das vielleicht aus Ihrem Antiquariat stammt.«
    Der Mann nahm das Deckblatt in Augenschein. Alban blieb nicht verborgen, dass es ihm schwerfiel, das Gleichgewicht zu halten.
    »Kenne ich nicht.«
    »Die Noten haben vielleicht etwas mit Ihrer Frau zu tun.«
    »Meiner …« Der Mann sah Alban abweisend an. »Was soll das heißen?«
    »Sie sind doch Herr Dennekamp, oder? Ein Bekannter von mir hat diese Partitur hinterlassen. Und er war wohl auch ein großer Fan Ihrer Frau. Ihrer Gedichte.«
    Dennekamps Blick wurde finster. Er schüttelte den Kopf und wandte sich ab. Wie ein Schlafwandler umrundete er Bücherstapel und bepackte Tische. Erst an dem kleinen Schreibtisch blieb er stehen, hielt aber das Gesicht weiter abgewandt.
    »Die alten Geschichten«, hörte Alban ihn murmeln. »Immer die alten Geschichten.«
    »Herr Dennekamp, es tut mir leid, was mit Ihrer Frau passiert ist …«
    »Sind Sie von der Polizei?« Der Antiquar drehte sich herum.
    »Nein«, sagte Alban, »ich bin nicht von der Polizei. Aber diese Partitur hier hat mich auf den Tod Ihrer Frau gebracht.«
    »Quatsch! Die Geschichte mit meiner Frau ist abgeschlossen«, rief Dennekamp. »Ein für alle Mal! Wissen Sie, dass die zuerst gedacht hatten, ich sei es gewesen? Die haben mich sogar eine Nacht eingebuchtet. Als ob ich Dagmar jemals etwas hätte antun können …«
    »Herr Dennekamp«, sagte Alban sanft, »mir geht es einzig und allein um dieses Musikstück hier. Es hat ein Geheimnis, und dieses Geheimnis möchte ich lüften. Als jemand, der mit alten Büchern und Noten handelt, können Sie das doch sicher verstehen.«
    »Lassen Sie mich in Ruhe, wer auch immer Sie sind.«
    »Alban«, stellte Alban sich vor. »Nikolaus Alban.«
    Dennekamp machte ein überraschtes Gesicht. »Der Kritiker?«
    Alban nickte. »Ich möchte herausfinden, woher diese Noten stammen. Aus purem musikalischen Interesse. Was die Sache allerdings geheimnisvoll macht, ist die Tatsache, dass die

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