Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)

Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)

Titel: Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Kelly
Vom Netzwerk:
dem Zug Schritt hielt, sei eine drohende Bergkette. Liverpool Street Station war da, bevor ich auch nur angefangen hatte, mich zu akklimatisieren, und als ich die paar Straßen bis Moorgate ging, fühlte ich mich wie eine Außerirdische in einer Stadt, die ich einmal als mein Eigentum betrachtet hatte. Es hatte geregnet, und die Pfützen waren schwarz vom Öl. Die Stadt roch und schmeckte nach Dreck und Diesel, und der Duft, der aus Coffeeshops und Bäckereien herauswehte, wurde erschlagen von dieser schweren Luft. Hier waren so viele Autos. Hier waren so viele Menschen.
    Ich brach einen Fünfziger an– mehr britisches Geld hatte ich nicht– und kaufte mir einen Kaffee in einem Take-away an der U-Bahn-Station Moorgate. Ohne zu lächeln reichte das Mädel hinter der Theke mir einen zerknüllten Haufen müder Fünfpfundscheine und ein paar seltsam vertraute Münzen. Das Geld sah aus, als habe jeder einzelne Mensch in London es schon einmal in der Hand gehalten. Ich warf einen Blick zum Himmel und kaufte bei Boots einen Schirm. Bevor ich die Treppe zur U-Bahn hinunterging, betrat ich zuletzt noch eine Telefonzelle und wählte Bibas alte Nummer. Die Mitteilung, die Nummer sei nicht erreichbar, war eine Überraschung, die ich erwartet hatte.
    Kleine schwarze Mäuse wuselten gut getarnt im Ruß der Gosse herum, aber gelegentlich waren sie doch sichtbar, wenn sie auf den stromführenden Stahlschienen entlangrannten. Die Northern Line teilt sich in Camden Town, und man kann leicht die falsche Bahn erwischen. Mehr als einmal hatte ich mich geistesabwesend in einem Zug nach Edgware wiedergefunden, der über Golders Green fährt, statt in der richtigen Bahn nach High Barnet, die mich nach Highgate und nach Hause gebracht hätte. Diesmal jedoch ließ ich zwei Züge nach High Barnet vorbeifahren, und als ich in den nach Edgware stieg, tat ich es mit Absicht. Der Wagen war nicht voll, aber feucht vom Regenwasser, das aus den Kleidern, Taschen und Schirmen der Fahrgäste verdunstete und an den Fenstern kondensierte. Ich ließ mich auf einem Sitz nieder und stellte meinen Rucksack auf den Schoß, damit ich mein Spiegelbild im Fenster gegenüber nicht sehen konnte. Neben mir malte ein halbwüchsiger Junge mit der Fingerspitze das Wort SCHEISSE auf die beschlagene Scheibe und hauchte das Glas an, um sein Kunstwerk besser sichtbar zu machen.
    Ich war zum ersten Mal in der U-Bahn-Station Hampstead. Sie war tief unter der Erde, gekachelt und fast leer, ähnlich wie Regent’s Park. Draußen brauchte ich eine Weile, um mich zu orientieren. Das letzte Mal war ich im glutheißen Juli hier gewesen, und saftige, grüne Sprossen waren mutig aus jeder Ritze und Spalte im Pflaster gewachsen. Heute fiel der Regen in einem perfekten Fünfundvierziggradwinkel auf die Straße und wusch alle Farbe weg. Es gab nichts Grünes mehr; alles war grau. Ich folgte einem Straßenschild, das die Autofahrer zum Royal Free Hospital leitete, und begann mit einem unangenehmen Marsch bergab. Ich kämpfte mit meinem neuen Schirm und seinem komplizierten Hakenmechanismus. Die Schaufenster waren hell erleuchtet, und der Himmel wurde dunkler. Ab und zu entdeckte ich mein Spiegelbild in einer Auslage. Ich sah aus wie eine Frau mittleren Alters mit rundlichem Gesicht und formloser Figur, deren strähniges Haar nass an ihrem Kopf klebte, weil ein Regenschirm sie überlistet hatte. Bei South End Green saß eine alte westindische Lady in einem Lammfellmantel, die statt Schuhen Plastiktüten an den Füßen trug, auf einer Bank am Fuße des Ehrenmals und zählte mit kreischender Stimme die Namen und Regierungsdaten der englischen Monarchen auf.
    Ich hatte den Orientierungspunkt gefunden, den ich gesucht hatte: The Magdala war noch da, wo wir es hinterlassen hatten. Ich wandte dem Pub den Rücken zu und versuchte, mich an den Weg zu erinnern, den wir bei unserem verrückten Sprint genommen hatten. Meine Zuversicht wuchs, als ich rechts um eine Ecke bog und Keats’ House sah. Ich berührte meinen Oberschenkel und dachte an den Bluterguss, der mir noch wochenlang erhalten geblieben war, und daran, wie Rex die gelb unterlaufene Haut mit Lippen und Händen liebkost hatte. Ich wusste nicht mehr, warum der Weg mir damals so labyrinthisch vorgekommen war. Mein Ziel war nur zwei Straßen weit von der Heath Street entfernt.
    Das Zaungitter hatte sein verfilztes Sommerkleid abgelegt. Eine Clematis rankte sich noch schlangenhaft um die Stäbe. Der rote Sportwagen parkte nicht in der

Weitere Kostenlose Bücher