Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)
sagen, ich bin nicht scharf darauf, den Klang seiner Stimme den ganzen Sommer über im Haus zu haben. Da bist du noch mal davongekommen. Aber dieser neue Typ. Warum hältst du ihn geheim? Ist er verheiratet?«
» Nein.«
» Ein Drogensüchtiger? Ein Drogendealer ?« Sie legte den Lappen aus der Hand. » O mein Gott, es ist doch nicht einer von deinen Schülern, oder?«
» Meine Güte, Emma!«
» Ein Dozent? Ist es Doktor Ali? Den fand ich immer ziemlich geil.«
Ich musste lächeln. Von allen dreien würde Emma mir wirklich fehlen.
» Was dann? Ein Mörder?« Die Frage war beiläufig, und meine Antwort war es auch.
» Ja, Emma. Er ist ein Serienmörder, und der Knast in Wormwood Scrubs bietet seit Kurzem Übernachtungsmöglichkeiten für neue Freundinnen an. Ich sage dir doch: Es. Gibt. Keinen. Geheimen. Freund.«
Die Fortsetzung des Verhörs blieb mir erspart, weil das Telefon schrillte. Claire brachte mir den klobigen weißen Apparat. Die Antenne war schon herausgezogen.
» Für dich«, sagte sie und sah dabei sehr zufrieden mit sich aus. » Es ist ein Mann. Und der Mann ist nicht dein Dad.« Ich wischte mir die Hände an einem Geschirrtuch ab, und dabei hörte ich schon eine blecherne dünne Stimme, die meinen Namen rief. Ich nahm das Telefon und ging hinauf in mein Zimmer, bevor ich es ans Ohr hielt. Als ich die Tür hinter mir mit dem Fuß zustieß, hörte ich Emmas genussvolles » Ich hab’s doch gesagt !«
» Hallo?«, sagte ich.
» Karen?« Es war Rex, und seine knisternde Stimme klang dringlich. Ich sah ihn vor mir, wie er in der Küche saß, sich den schmutzigen Hörer ans Ohr hielt und dabei den Kampf gegen die widerspenstigen Spiralen der Schnur verlor. » Ich nehme an, Biba ist nicht bei dir, oder?«
» Sie hat meine Adresse nicht.« Ich hatte sie ihr absichtlich nicht gegeben. Ich wollte sie aus meiner Welt heraushalten– fast ebenso entschlossen, wie ich zu ihrer dazugehören wollte.
» Fuck!«, sagte er, und ich hörte das Kratzen seines unrasierten Kinns am Hörer, als er ihn an die Schulter klemmte. » Sie ist nicht da, Nina.« In Highgate fand ein gedämpftes Gespräch statt, das ich nicht verstehen konnte und das länger dauerte, als höflich gewesen wäre.
» Rex!«, schrie ich ins Telefon, als nach meinem Gefühl fünf Minuten vergangen waren. » Rex.« Er kam zurück.
» Entschuldige«, sagte er, und seine Stimme klang brüchig. » Es ist nur so, dass Nina uns gerade erst gesagt hat, dass sie auf Reisen gehen will. B hat es nicht besonders gut aufgenommen, und sie…« Er bremste sich und schluckte ein Wort oder einen Satz herunter. » Egal. Hör zu, wenn sie sich bei dir meldet, sag ihr, sie soll mich anrufen, und zwar buchstäblich im selben Augenblick.« Er diktierte mir die Nummer, und ich schrieb sie auf das Vorsatzblatt meines Spanischlexikons.
» Ich finde, das klingt nach einer leichten Überreaktion, aber– ja, ich werd’s tun. Okay. Bye, Rex.«
Ich ließ mir das Telefon in den Schoß fallen. Rex’ hysterisch übertriebenen Beschützerdrang empfand ich als ebenso nervtötend wie verwunderlich. Biba war einundzwanzig, und nach allem, was ich gesehen hatte, war sie besser als er in der Lage, auf sich aufzupassen.
Ich streckte mich auf dem Bett aus. Endlich war ich allein und konnte die Ereignisse der letzten vierundzwanzig Stunden verdauen. Meine Freundschaft mit Biba war gefestigt, und ich würde den Sommer über allein zu Hause sein. Ich konnte ins Fitnessstudio gehen, sooft ich wollte: Simon würde sicher nicht da sein. Ich konnte jeden Tag Biba besuchen, und wir würden London auf eine Weise erforschen, wie ich es noch nie getan hatte, all die Partys und Klubs besuchen, die mir bisher entgangen waren, und das Geld, das ich für die Miete gebraucht hätte, für Wein und Taxis und Drogen ausgeben. Ich konnte mit ihr shoppen gehen und ihr neue Kleider kaufen. Es wäre spannend zu sehen, was sie kaufte, wenn sie nicht in Secondhandläden die abgelegten Klamotten anderer Leute durchwühlen musste, und ich war auch neugierig auf die Outfits, die ich mir zusammenstellen würde, wenn ich unter ihrer Anleitung einkaufen ginge. Das Telefon auf meinem Schoß schrillte wieder. Ich drückte auf die grüne Taste und meldete mich.
» Karen, es ist alles okay, sie ist wieder da«, sagte Rex, als wären wir Hysteriepartner. » Es ist alles gut, sie ist da, sie ist zu mir zurückgekommen.«
» Gib mir das Ding«, hörte ich aus dem Hintergrund. Es gab einen kurzen Kampf um den
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