Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)
herausgefunden hat? Vielleicht sind sie gar nicht hinter Rex her. Vielleicht jagen sie mich.
ZEHN
I ch bereute genau an der Stelle, mit dem Auto zu Ninas Party zu fahren, als es unsinnig wurde, zu wenden und die U-Bahn zu nehmen. Meinen rostfleckigen, bananengelben Fiat Panda hatte ich zu meinem siebzehnten Geburtstag von meinen Eltern bekommen, und schon da war er alles andere als neu gewesen. Seit einigen Monaten stöhnte und keuchte er wie ein kleiner alter Mann, und der Bereich, in dem er sich bewegt hatte, war auf den Radius von der einen Meile zwischen mir, Simon und dem Tennisklub geschrumpft. Dass er für diesen plötzlichen Marathon nicht trainiert war, zeigte er in Höhe der North Circular durch einen Kurzschluss im elektrischen Fensterheber, der mich luftdicht einsperrte. Ein Verkehrsstau auf einem Straßenabschnitt, flankiert von einer Art Favela aus vernagelten Häusern und Wellblechhütten, ließ mich zum Stehen kommen. Die Doppeltürme des Wembley-Stadions ragten zu meiner Linken auf, und in ihren Schatten duckte sich eine Reihe Garagen. Ein junger Mann mit nacktem Oberkörper schmierte mit einem dreckigen Gummiwischer graues, schaumiges Wasser auf meine Windschutzscheibe. Um jeden Blickkontakt mit ihm zu vermeiden, drehte ich den Kopf zur Seite und starrte ein handgemaltes Schild an, auf dem ein billiger Garagenplatz angeboten wurde. Schließlich gelang es mir, das Sonnendach aufzuhebeln, während ich im Schritttempo über die glühend heiße Hochstraße bei Brent Cross fuhr.
Ein Dutzend Schritte vor Bibas Haustür setzte der Motor aus, und mit einer Fehlzündung, die einen Baum voller Ringeltauben in Aufruhr versetzte, hielt ich vor der Einfahrt ihrer Nachbarn an. Die Gardine, die zuckte, als ich mit dem Zündschlüssel kämpfte, war ein elegant drapierter weißer Schleier, kein schmutzig graues Netz, aber die Beobachterin dahinter war auf die Straße fixiert wie jede andere Hausfrau in den Vororten. Ich hatte nur Mr. Wheelers Schädel von oben gesehen, und so musste ich mir jetzt vorstellen, wie er und seine schwangere Frau, über ein Notizbuch gebeugt, aktiv darauf warteten, dass etwas passierte, das sie in ihr Lärmtagebuch eintragen konnten. Wahrscheinlich erkannte er mich nicht, und wenn doch, brachte er mich nicht mit dem Haus in Verbindung. Hätte er es getan, wäre meine Rolle bei den Ereignissen öffentlich bekannt geworden. Manchmal hat es auch Vorteile, unauffällig auszusehen.
Ich stieg durch die Lücke im Gartenzaun. Im Garten wimmelte es von Kindern. Die kleinen Gestalten, manche nicht einmal so hoch wie das ungemähte Gras, waren den Erwachsenen zahlenmäßig überlegen. Diese Party versprach anders zu werden als die letzte; es würde Hippies und Gitarren und Kinderlieder geben, keine DJ s und Plattendecks und chemischen Exzesse. Das hier waren Ninas, nicht Bibas Leute; die Erwachsenen waren alle älter und dicker. Rauch stieg von einem Grill auf, den ich zuletzt auf der Seite liegend auf der Terrasse gesehen hatte. Der Rost war mit Vogelkot bekleckert gewesen. Ich nahm mir vor, nichts zu essen, was darauf gegrillt worden war. Ich suchte nach einem bekannten Gesicht, aber ich fand nur Inigo, dessen Augen knapp über einen Lavendelbusch hinwegschauten. Er erwiderte meinen Blick mit dem üblichen Ernst.
» Hallo, Karen«, sagte er förmlich.
» Hallo, Inigo«, antwortete ich. » Wie geht’s?«
» Tris und Jo sind nach Devon gefahren«, berichtete er. » Und heute Abend übernachten wir auf Arounas Boot, und dann gehen wir auf Reisen.«
» Das klingt aufregend«, sagte ich. » Wer ist Arouna?«
» Gaias Dad, Dummi. Willst du gucken?« Der Kleine nahm meine Hand, und ich ließ mich von ihm zu dem Zimmer führen, in dem er geschlafen hatte und das sie das Küchenschlafzimmer nannten. Kleider platzten aus Koffern und quollen aus schwarzen Müllsäcken. Ein Mann in einem wallenden Kaftan saß mit gekreuzten Beinen mitten auf dem Bett und hielt die schlafende Gaia auf dem Schoß. Er war im Sitzen fast so groß wie ich.
» Sag Arouna Hallo«, befahl Inigo mir. Ich winkte dem Mann mit flatternden Fingern zu. Seine schwarze Haut war überall mit Ninas Schmucksachen akzentuiert. Silberreifen mit eingefassten Türkisen hingen an seinen Ohren, und um seinen Hals und seine Handgelenke schlangen sich dicke Schnüre aus dem gleichen weißen Metall. Mein Blick fiel auf die blonde Gaia mit ihrer Stupsnase, ihren grünen Augen und der goldenen Haut, die viel heller war als Ninas. Arounas Haut
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