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Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)

Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)

Titel: Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Kelly
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sagte sie abwesend. Rex versperrte die Küchentreppe und hielt einen mit Kindersachen vollgestopften Müllsack in der Hand. Eine einzelne Socke ringelte sich wie ein gestreifter Wurm aus einem Loch in dem straff gespannten Plastik. Er schaute sie betrübt an, und mir wurde klar, dass er nicht Ninas Verlust betrauerte, sondern den der Kinder, die er in den letzten zwei Jahren mit aufgezogen hatte.
    Nina stopfte die Socke oben in den Müllsack und gab Rex einen sanften Kuss auf die Wange, was Arouna unübersehbar mit bitterem Groll quittierte. Rex trat beiseite, um die Familie durchzulassen, und Biba sprach mit ihrem Bruder in einem zärtlichen Tonfall, den ich von ihr noch nie gehört hatte.
    » Du machst es wirklich gut«, sagte sie. » Wir warten auf dich, wenn du zurückkommst. Geh schon. Geh. Es wird alles gut.«
    Vom Fenster des Samtzimmers aus sahen wir zu, wie sie wegfuhren. Zweimal würgte Rex den Motor ab, während er versuchte, mit der alten, hakeligen Kupplung zurechtzukommen. Sanfter und geduldiger, als ich es je geschafft hatte, überredete er das Getriebe, ihn schalten zu lassen. Keuchend fuhr der Wagen los, und mit einem Geräusch wie von einem Feuerwerk bog er um die Ecke in die Muswell Hill Road. Es knallte laut genug, um die Nachbarn zu wecken, und wahrscheinlich auch, um einen Eintrag in Thomas Wheelers Lärmtagebuch zu verdienen.
    Das Haus hallte wider von der plötzlichen Abwesenheit der Leute.
    » Es waren nie nur ich und Rex«, sagte sie. » Nie seit…« Biba sprach den Satz nicht zu Ende. » Ich will nicht allein mit ihm sein. Er wird mich nicht in Ruhe lassen, wenn er jetzt niemanden mehr hat, den er bemuttern kann. Du hast noch nicht erlebt, wie er dann ist. Ich werde keinen Augenblick Ruhe haben.«
    » Du könntest immer noch jemanden fragen, ob er zu euch ziehen möchte.«
    » Das könnte ich«, räumte sie ein.
    » Keinen Fremden, keinen Mieter– jemanden, den du schon kennst und magst. Jemanden, der sowieso dauernd hier ist. Jemanden, der niemanden hat, mit dem er wohnen kann, und der nichts Besseres zu tun hat.«
    » Wenn wir nur jemanden wüssten, auf den diese Beschreibung passt!« In einer schauspielerischen Gebärde der Hoffnungslosigkeit warf sie die Hände hoch. Ich gab ihr unter dem Tisch einen Tritt, und sie grinste diabolisch.
    » Ich habe eine Idee!«, sagte sie. » Karen, hättest du Lust, herzukommen und bei mir und Rex zu wohnen?«
    » Komisch, dass du das sagst«, antwortete ich. » Ehrlich gesagt, ich würde nichts lieber tun, aber vorher muss ich dich etwas fragen. Bist du sicher, dass du nicht einfach einen netten, stabilen Ersatz für Nina suchst?«
    » Wer sagt denn, dass du nett bist?«, fragte sie und wurde dann ernst. » Absolut nicht«, sagte sie und sah mir in die Augen. » Ich will dich hierhaben, weil du du bist.«
    » Gut, denn ich werde nicht andauernd kochen.«
    » Das erwarte ich auch nicht.«
    » Wenn das so ist, bin ich dabei.«
    » Fucking fabelhaft!« Sie trommelte mit den flachen Händen eine festliche Fanfare auf die Tischplatte. » Alsdann! Zufällig weiß ich, dass Rex eine Flasche guten Champagner im Schrank unter der Treppe versteckt hat. Er hat sie für einen besonderen Anlass aufgehoben. Ich finde, jetzt sollten wir sie trinken, meinst du nicht auch?«
    Alice liest gerade ein Buch über einen Jungen, der mit seinem Messer Löcher in parallele Welten schneidet. Mit einem einzigen Schnitt kann seine Klinge das Gefüge dieses Universums aufschlitzen und es zurückschälen, und dann sieht er in eine neue, fantastische Welt, die schon die ganze Zeit da gewesen ist. So fühlte ich mich in jenem Sommer mit Biba– als sei ein Vorhang aufgezogen und eine Tür geöffnet worden, sodass ich hindurchlaufen und mir alles zu eigen machen konnte, was ich fand. Mit jeder Stunde, die ich bei ihr verbrachte, wurde ich jünger. Als Heranwachsende war ich in Europa gewesen und hatte mir dort neben neuen Sprachen die Kultur und Gewohnheiten der Erwachsenen angeeignet. An verschiedenen Universitäten hatte ich alles über Essen, Wein und Kunst gelernt. Diese Erfahrungen, befördert durch eine offenbar angeborene Konformität, hatten mir eine Art frühzeitige Reife verschafft. An keinem dieser Orte hatte ich eine Party meiner Altersgenossen besucht, und ich war in keinen Nightclub gegangen. Aber in diesen ersten Wochen machte Biba mich mit der unbekümmerten Rebellion der Jugend bekannt. Die meisten Mädchen in meinem Alter hatten diese Phase schon ausgekostet und

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