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Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)

Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)

Titel: Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Kelly
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waren zur nächsten übergegangen. Aber ich war immer noch unreif genug, um mich meiner Unschuld entkleiden zu lassen– und mit zwanzig gerade alt genug, um zu wissen, dass es passierte, und es zu würdigen.
    Unschuld ist eine ungewöhnliche Eigenschaft insofern, als sie zwei Gegenteile hat. Das eine ist Erfahrung. Das andere ist Schuld.
    Meine Hausgenossinnen aus Brentford habe ich nie wieder gesehen. Nachdem sie– eine Woche vor der Zeit– gepackt hatten, machten Claire und Emma sich aus dem Staub und zogen zu ihren Freunden. Wir verabschiedeten uns in einer Serie von gekritzelten Zetteln und Briefen, die wir unter Schlafzimmertüren hindurchschoben oder mit Magneten am Kühlschrank befestigten. Sie wünschten mir Glück bei meiner letzten Prüfung, und sie versprachen, mich anzurufen und eine Kontaktnummer durchzugeben, sobald sie eine hätten. Sarah war nur noch sporadisch zu Hause; sie bezahlte Rechnungen im Voraus und schrieb Liste um Liste mit Anweisungen, wie das Haus zu versorgen war, in dem ich drei Jahre lang gelebt hatte.
    Ich ordnete meine Verhältnisse mit der Gewissenhaftigkeit eines Menschen, der Selbstmord begehen will, und brachte mein Haus in Ordnung, als wollte ich nie mehr zurückkommen. Nicht dass ich etwas wegzuwerfen gehabt hätte, das schwer entbehrlich, belastend oder auch nur interessant gewesen wäre: nur der geordnete, ordentliche Papierkram eines in Übersetzung gelebten Lebens. In den Rucksack, der mich durch ganz Europa begleitet hatte, packte ich so viele Sommersachen, wie ich tragen konnte, und die wenigen Kosmetikartikel, die ich brauchte. Mein CD -Player und die meisten meiner Bücher blieben in meinem Zimmer. Wozu brauchte ich Bücher, wenn ich Gespräche führen konnte?
    Am Tag meiner letzten Prüfung zog ich ein. Ich landete nicht in Ninas Zimmer, sondern wurde in das Dachzimmer neben dem geführt, in dem Tris und Jo geschlafen hatten. Ich war die neunte Person, die in den letzten fünf Jahren dort gewohnt hatte, und an den verblichenen, zitronengelben Wänden waren die vorigen Bewohner dokumentiert. Nur Tris und Jo, getreu ihren Grundsätzen, hatten nirgends eine Spur hinterlassen. Ich schleppte meinen Rucksack über zweiundvierzig Stufen nach oben, und Rex zeigte mir die Latten an der Wand, wo jemand namens Hugh einen Schrank abgerissen hatte, der sein Missfallen erregt hatte. Ein ausgefranster Quadratzoll einer Blumentapete schimmerte noch durch den schlechten Anstrich, mit dem ein Mädchen namens Val versucht hatte, die Verwüstung zu beheben. Die Rußspuren an der Unterseite des Bücherregals stammten von jemandem namens Phil, dessen Überzeugung, Kerzenlicht sei das beste Mittel, Mädchen ins Bett zu bekommen, an einem Silvesterabend beinahe dazu geführt hätte, dass das ganze Haus abbrannte.
    Ich hängte meine Kleider in eine schiefe Segeltuchgarderobe, schlang eine Kette von Feenlichtern um das Kopfende des Betts und wickelte den gummiartigen grünen Draht um einen Nagel, der aus der Tapetenleiste herausragte, sodass die kleinen Lichter wie ein Sternenbaldachin über dem Bett hingen. Der dritte Stock ragte mitten in das dichte Laubdach der Bäume. Ein kleines rundes Fenster sah aus wie ein Bullauge, durch das man auf ein grünes Meer hinausschaute, und am Fußende meines Betts war ein Oberlicht. Ich legte mich darunter und zählte nicht die glückbringenden Sterne, sondern die Blätter, als Biba mit zwei Gläsern Rotwein für uns beide hereinkam. Der Wein, die Lichterkette und die Unterhaltung sorgten für eine weiche Landung in der Dunkelheit.
    » Es fühlt sich an, als ob du schon immer hier gewohnt hättest«, sagte sie nach ungefähr einer Stunde. Sie zeigte auf die winzigen Bläschen, die meine häuslichen Sterne im Lack am Kopfbrett des Bettes entstehen ließen. » Du hinterlässt schon deinen Fingerabdruck hier. Eines Tages werde ich das hier anschauen und das Muster verfolgen, das deine Lichter gemacht haben. Dann kann ich mir vorstellen, wie das Zimmer war, als du hier warst.« Sie lächelte und drückte meinen Arm, und mich fröstelte trotz des warmen Juniabends, weil Biba soeben impliziert hatte, dass vielleicht ein Tag kommen würde, an dem ich nicht mehr hier wäre. Die Vorstellung, auf eine beiläufige Anekdote wie Hugh, Phil oder Val reduziert zu werden, ließ mein Herz erkalten und die Wände zusammenrücken. Das Haus war erst seit ein paar Stunden mein Zuhause, aber ich wusste bereits, dass meine Zeit hier keine Phase in meinem Leben, sondern mein

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