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Das giftige Herz

Das giftige Herz

Titel: Das giftige Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Doyle
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lächelte höflich, nahm den Zylinder ab und zog sich elegant die Handschuhe aus. Dann griff er in die Innentasche seines Mantels und holte einen Brief hervor.
    »Ich bringe Ihnen eine Einladung.«
    »Eine Einladung?«, fragte Frau Dunkel.
    »Für Sie und Ihren Gatten zu einem Abendessen in kleinem Kreis.«
    »Aber wer lädt uns denn zu einem Abendessen ein?« Die Bäckersfrau trat zögernd auf den Herrn zu, der hier in der kleinbürgerlichen Küche mit dem ärmlichen Mobiliar fehl am Platz wirkte.
    Der Mann streckte den Arm aus und hielt ihr den Brief hin. Dabei deutete er ganz leicht eine Verbeugung an.
    »Halt!«, rief Friedrich Dunkel plötzlich sehr laut und herrisch. »Wer schickt diesen Brief?«
    Seine Frau zuckte zusammen und blieb wie gelähmt stehen.
    »Es ist eine Einladung von Herrn Leopold Schaller. Mit den besten Grüßen an Sie und Verehrung für Ihre Gemahlin.«
    »Unsinn!«, rief Dunkel.
    »Sie werden es nicht bereuen«, sagte der Mann. »Seien Sie sich dessen gewiss.«
    »Schaller«, flüsterte Frau Dunkel ungläubig und drehte sich zu ihrem Mann um: »Aber wir müssen doch … der Brief …«
    »Bitte sehr«, sagte der Mann in höflichem Ton und geduldigem Gesichtsausdruck. Frau Dunkel streckte die Hand aus, um den Brief zu nehmen.
    »Lass es!«, rief ihr Mann. »Das ist ein Komplott.«
    Die Bäckersfrau war jetzt empört: »Aber ich muss doch den Brief entgegennehmen.«
    Der feine Herr hielt ihn ihr jetzt geradezu lockend hin: »Gnädige Frau«, sagte er und lächelte freundlich. »Sie werden es nicht bereuen.«
    »Hinaus!«, brüllte Dunkel so laut, dass sogar Pistoux zusammenzuckte. »Wir nehmen nichts von diesem Verbrecher entgegen! Hinaus Sie … Lump!«
    Die Gesichtszüge des Mannes verdüsterten sich. Man sah ihm an, dass er kurz davor war, die Fassung zu verlieren.
    »Sie begehen einen Fehler, Herr Dunkel«, sagt er mit gesenkter Stimme.
    »Niemals!«
    »Friedrich, still doch!«
    »Ich mache mich nicht mit diesem Fabrikanten gemein!«, rief der Bäcker.
    »Nun denn«, sagte der Mann, während er den Brief wieder einsteckte, den Zylinder aufsetzte und die Handschuhe anzog. »Sie sind also an einer Unterredung nicht interessiert. Seien Sie versichert, dass dies die letzte Einladung war, die Herr Schaller Ihnen zukommen ließ. Sie haben sich damit um eine glänzende Zukunft gebracht.«
    Damit verbeugte sich der Mann, tippte frech mit dem Stock gegen die Hutkrempe, drehte sich um und verschwand.
    »So ein Schuft«, murmelte der Bäcker.
    Pistoux bemerkte einen Anflug von Verzweiflung auf dem Gesicht seiner Frau. Beinahe sah es so aus, als würde sie dem Mann sehnsüchtig hinterherblicken.
    »Verbrecherpack«, flüsterte Friedrich Dunkel. Er hatte seine Kladde mit den geheimen Rezepten an die Brust gepresst wie einen Säugling, den er vor einer bösen Bedrohung retten wollte.

7 TÖDLIC H E HERZEN
    Das Holz knisterte in dem kleinen Ofen in der Ecke. Wanner war am Fenster und verachtete sich selbst. Er stand da, die Hand an der Gardine, die er ganz leicht zur Seite geschoben hatte, und blickte über den Hof hinüber zum Nachbarhaus. Drüben waren wenige Fenster erleuchtet. Ihn interessierte nur ein ganz bestimmtes im Erdgeschoss, das man von hier oben gut einsehen konnte. Dort waren die Vorhänge nicht zugezogen und die Gardinen zur Seite geschoben. Es war das Zimmer eines jungen Mädchens. Das Mädchen war gerade dabei, ins Bett zu gehen. Sie ging jeden Abend um die gleiche Zeit ins Bett. Und jeden Abend spielte sich dieselbe Szene ab: Sie betrat das Zimmer, öffnete ihr langes, blondes Haar, entkleidete sich langsam und entblößte dabei einen gerteschlanken jugendlichen Körper. Dann wusch sie sich, zog das Nachthemd über, trat zum Fenster, blickte zu ihm hoch, zog die Gardinen und die Vorhänge zu und löschte das Licht in ihrer Kammer. Wanner blieb noch eine Weile am Fenster stehen und schämte sich. Vor einigen Tagen hatte er das Mädchen auf der Straße gesehen. Sie hatte einen Mantel und eine Kapuze getragen, sodass man sie kaum erkennen konnte. Aber als sie an ihm vorbeigegangen war, hatte sie den Kopf zurückgeworfen und ihn angesehen: ein blasses Mädchen von tugendhafter Schönheit, und doch verrucht. Aber der Lump bin ich, dachte Wanner. Ich stehe hier und sehne mich dorthin, zu ihr: Es war eine Sünde. Aber warum hatte Gott solche jungen Mädchen erschaffen? Um ihn in Versuchung zu führen? Ich lobpreise die Schöpfung, wenn ich diese schönen Körper anbete, dachte Wanner. Es ist

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