Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das giftige Herz

Das giftige Herz

Titel: Das giftige Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Doyle
Vom Netzwerk:
Kissen.
    »Missgunst? Obwohl Sie gar nicht wohlhabend sind?«
    »Ich muss nicht hungern, Herr Inspektor. Und das hätte man gern, dass ich hungern muss.« Wetzel lachte hämisch. »Wegen meiner Vorfahren.«
    »Was ist mit Ihren Vorfahren?«
    »Entschuldigen Sie, Herr Inspektor, aber Sie sind wirklich schwer von Begriff.«
    »Sie wissen wohl nicht, wen Sie hier vor sich haben!«
    Wetzel hüstelte: »Sie sind nicht von hier, Herr Inspektor. Aber Sie wissen doch, dass dies hier der Henkersteg ist.«
    »Ja.«
    »Nun, bedenken Sie also, wen Sie vor sich haben.«
    Wanner war über Wetzels hochnäsigen Ton so erstaunt, dass er die Anspielung gar nicht verstand.
    »Im Übrigen ist es der Turm, der mich hier hält.«
    »Drücken Sie sich gefälligst klarer aus, Herr Wetzel!«
    »Der Wehrgang und der Turm dienten früher dem Henker als Wohnstatt.«
    »Dann sind Sie …«
    »Ein direkter Nachfahre einer Henkersfamilie. Wenn Sie so wollen, ist es noch immer meine Aufgabe … oder wäre …, falls es jemandem in den Sinn kommen sollte.«
    »Ganz offensichtlich kam es jemandem in den Sinn.«
    »Ein makabrer Scherz …«
    »Sie bezeichnen die Ermordung von Jakobus Ehrenhoff als einen Scherz?«
    »Das Leben ist ein böser Scherz, Herr Inspektor, da ist der Tod nur eine Erlösung, je theatralischer, umso fröhlicher, ein letztes Aufbäumen menschlicher Lebensenergie gegen den destruktiven Geist, der irgendwo im Universum lauert und unsere Lebenskraft vertilgt.«
    Wanner sah den Kaufmann ratlos an. Wetzel blickt an ihm vorbei ins Leere.
    »Der Tod ist die Erlösung«, wiederholte der Gewürzhändler. »Alles Leben ist Leid, sagen die Buddhisten. Uns bleibt nur eine Hoffnung, das Nirwana. Wissen Sie, was das Nirwana ist, Herr Inspektor …?«
    »Hören Sie auf mit diesem Gerede!«
    Wetzel klatschte in die Hände: »Nichts! Gar nichts! Stellen Sie sich das mal vor!«
    Der Händler klatschte in die Hände und lachte. Er wollte gar nicht mehr aufhören damit.
    »Schluss jetzt!«, rief Wanner und sprang vom Sessel auf.
    Wetzel verstummte augenblicklich und sank auf seiner Chaiselongue in sich zusammen. Er legte den Kopf zur Seite und blickte mit verdrehten Augen zu Wanner hoch, den Mund halb offen: »Der Henker ist der Erlöser«, hauchte er.
    Ich werde ihn mitnehmen müssen, dachte Wanner, möglicherweise hat er den Ratsherrn nur aus einem irrwitzigen Trieb umgebracht und in geistiger Umnachtung aufgehängt. Er spürte, wie er eine Gänsehaut bekam.
    »Und der Turm? Was ist mit dem Turm?«
    Der Gewürzhändler war plötzlich wieder hellwach, setzte sich gerade hin und antwortete: »Es war einmal der Schuldturm, nun befindet sich dort mein Lager. Wollen Sie es sehen?«
    »Ich bitte darum.«
    »Kommen Sie.«
    Wanner folgte dem Kaufmann in den Lagerraum, durch dessen Fenster sie neulich nachts die Leiche des Ratsherrn gezogen hatten. An dem Abend, als Wanner mit dem Oberrat hier gewesen war, hatte sich Wetzel ganz anders benommen. Ängstlicher war er gewesen. Offenbar fühlte er sich jetzt sicher. Weil man den Bäcker verhaftet hatte?
    Sie traten durch eine schwere, eisenbeschlagene Eichentür.
    »Unten im Keller ist es zu feucht, ich benutze nur dieses Stockwerk und das darüber.«
    Durch Schießscharten und niedrige Luken fiel nur wenig Tageslicht in den Raum. Wanner sah nur Säcke, Fässer und Kisten. Aber er roch etwas. Es roch scharf und würzig und nach Pfeffer und Gewürzen, für die er keinen Namen wusste.
    »Ich habe hier zehn verschiedene Sorten Paprika aus Ungarn und Spanien«, sagte Wetzel und deutete mit der Hand auf verschiedene Kisten. »Seltene Kümmelsorten aus Indien, Süßholz aus Afghanistan, Barberé aus Arabien und viele andere Sachen mehr.«
    Im oberen Raum zeigte der Händler dem Inspektor zahllose Säcke mit Nusssorten aus aller Herren Länder und ließ ihn an Anisblüten, der Rinde des Zimtstrauchs, an Myrtenbeeren, Kardamomschoten und getrockneten Muskatblüten riechen. Auch Datteln, Feigen, Rosinen und kandierte Früchte lagerte er hier.
    »Ich wünschte, ich hätte das alles schon verkauft«, murmelte der Händler.
    Irgendetwas Verdächtiges konnte Wanner beim besten Willen nicht feststellen. Sein Misstrauen verflog. Dennoch fragte er nach dem Keller des Turms.
    »In den Keller können wir nicht gehen«, sagte Wetzel. »Das ist ganz unmöglich, er ist überflutet.«
    Nachdem er den Gewürzhändler wieder verlassen hatte, hatte sich Wanner dafür getadelt, dass er nicht darauf bestanden hatte, den Keller zu

Weitere Kostenlose Bücher