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Das gläserne Paradies

Das gläserne Paradies

Titel: Das gläserne Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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hervorgekrochen war. Es war kurz vor ein Uhr nachts gewesen.
    Natürlich hatte sie mitbekommen, daß ein neuerAuftrag eingegangen war, diesmal nicht von Karl-Heinz Brauninger, sondern von einem der Verleger, mit denen ihr Vater früher zusammengearbeitet hatte. Die merken also auch, daß die Glasbläserei Heimer noch längst nicht abgeschrieben ist, hatte sich Wanda gefreut. Weitere Einzelheiten, den Auftrag betreffend, hatte sie jedoch nicht mitbekommen, da sie in den letzten Tagen so viele Stunden wie nur möglich mit ihrer Mutter verbracht hatte. Nun klärte Michel sie auf.
    Â»Die Serviettenringe sollen auf ein Schiff, das in zehn Tagen von Hamburg aus nach England fährt. Das bedeutet, daß wir die Ware Anfang nächster Woche in Sonneberg abliefern müssen. Wie das zu schaffen ist, interessiert unseren lieben Herrn Verleger natürlich nicht!« Die letzten Worte spuckte er geradezu aus. »Aber was sollen wir tun? Der weiß genau, daß wir nicht in der Lage sind, uns solch einen Auftrag durch die Lappen gehen zu lassen, mag er noch so schlecht bezahlt sein.«
    Kritisch beäugte Thomas Heimer den gläsernen Ring, den er aus dem Glasstab geformt hatte. Wie alle anderen war er gleichmäßig rund, also legte er ihn zum Abkühlen auf einen Rost, wo schon Dutzende solcher Ringe lagen.
    Â»Die Verleger wissen genau, daß es immer einen Glasbläser gibt, der den Auftrag zusagt. Das nutzen die natürlich aus, sie wären ja dumm, wenn sie es nicht täten!« Schon griff er zum nächsten Rohling. Mit rundem Rücken beugte er sich über die Flamme, um auch diesen zu erhitzen.
    Â»Kann ich helfen?« bot Wanda an und wollte schon nach einem der abgekühlten Glasringe greifen, um ihn zu verpacken, doch Michel schüttelte den Kopf.
    Â»Später vielleicht. Wir warten noch auf den Schachtelmacher. Er bringt uns neues Material, in das wir die Teileverpacken können.« Mit einem Seufzer streckte er sein lädiertes Bein von sich, dann nahm auch er einen Rohling in die Hand und hielt ihn über die Flamme.
    Einen Moment lang schwiegen alle drei. Eine Woge der Zuneigung überflutete Wanda beim Anblick ihres Onkels. Er hatte es nach vielen Jahren des Nichtstuns und Leidens im vergangenen Frühjahr gewagt, sich trotz seiner Behinderung wieder an den Bolg zu setzen, um seinem Bruder zu helfen. Um die Glasbläserei Heimer wieder zu dem zu machen, was sie einmal gewesen war: eine der besten.
    Â»Die Musterteile für Brauninger müssen derweil natürlich liegenbleiben«, sagte Thomas Heimer mit einem bedauernden Blick auf den Stapel Skizzen, die er für das »Kuckucksprojekt«, wie sie den Auftrag nannten, angefertigt hatte.
    Nachdenklich nahm Wanda einen Schluck Tee. Nun war sie schon so lange in Lauscha, ging in den Werkstätten der Glasbläser ein und aus, und erst jetzt bekam sie wirklich mit, unter welch empörenden Umständen sie ihr Brot verdienten. Natürlich war ihr klar, daß das Glasblasen an sich anstrengend war, körperlich und auch, was die Konzentration anging. Hatte der Glasbläser einen schlechten Tag oder eine unruhige Hand, war der Tisch am Ende mit Ausschußware überhäuft. Der Zeitdruck, unter dem die meisten Aufträge erledigt werden mußten, die Tatsache, daß ihr Vater das gläserne Rohmaterial und auch das Verpackungsmaterial auf eigene Rechnung kaufen mußte, vom Verleger jedoch erst bei Lieferung der Ware bezahlt wurde – über all diese Dinge hatte sie bisher nie nachgedacht.
    Ich muß noch viel dazulernen, dachte sie bei sich, während sie die Werkstatt verließ.
    Die Männer schauten nicht einmal auf.

13. K APITEL
    Eva machte keine Anstalten, Sylvie abzugeben, Vater und Michel waren bei der Arbeit, Richard würde erst gegen Abend aus Sonneberg zurück sein – alle außer ihr hatten zu tun. Aus lauter Langeweile verbrachte Wanda den Rest des Vormittags damit, die gute Stube sauberzumachen. Es war ein großer Raum, der aber nicht viel hermachte und nur selten genutzt wurde. In Wahrheit konnte sich Wanda an keinen Anlaß erinnern, zu dem sich die Familie dort eingefunden hatte, und so lag auf allen Möbeln, auf jeder Oberfläche eine dicke Staubschicht. Vielleicht war es an der Zeit, ein wenig mehr Stil ins Haus zu bringen und hin und wieder Einladungen auszusprechen – die Gäste konnte man sehr gut in diesem Raum empfangen! Einen

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